Heiter, wenn’s ernst wird – oder doch umgekehrt? „Hoffmanns Erzählungen“ in der Rheinoper
Zum Auftakt des neuen Jahres wird es vermeintlich heiter in der Straßburger Rheinoper. Aber Achtung - „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach versetzen uns ab Montag in den wahren Ernst der Lage, wenn's allzu heiter wird.

(Michael Magercord) – Alkohol getränkte Opernbewältigung auf offener Bühne: In der Pause von Mozarts Don Giovanni wird der Säufer selbst zum unglücklichen Frauenheld. Jedenfalls in der weinseligen Rückschau auf seine Verflossenen. Und wenn der Maulheld auch noch ein Dichter ist? Dann wird’s poetisch, und je tränenreicher, desto mehr. Oder läuft da nicht doch alles nach einem Plan? Gesteht doch gleich zu Beginn die Muse des Dichterleins, die in der Mozartaufführung als Sängerin auftritt, den Kneipengänger über die Unglücksberauschtheit zu seiner ureigener Aufgabe zurückführen zu wollen: zur Literatur.
Der unglückliche Hoffmann, der nach keinem geringen als jenem romantischen Erzähler E.T.A. gleichen Nachnamens gestaltet wurde, ist unser Held, der seine Erzählungen über seine Liebschaften im Suff preisgibt. Olympia, Antonia, Giulietta hießen die drei Frauen, die er liebte und doch wieder verlor, als steckte er im uralten Teufelskreis aus Liebe und Verlust. Und es war kein Geringerer als Jacques Offenbach, der diesen Hoffmann nicht nur ins Erzählen kommen ließ, sondern auf die Opernbühne brachte.
Offenbach war der Sohn eines jüdischen Synagogenkantors aus Köln, dessen Eltern noch Ebert hießen, bevor sie sich ihren hessischen Herkunftsort als Nachnamen zulegten. Das siebte von zehn Kindern, das noch als Jakob getauft wurde, zeigte sich schon früh musikalisch begabt, und da die Eltern großen Wert auf das Musische legten und zugleich großen Wert auf Wert, sollte er in der musischten Stadt der Welt sein Handwerk lernen, und das war in der Mitte des 19. Jahrhunderts nun einmal Paris.
Allerdings sollte man dort am Konservatorium Ausländer nur aufnehmen, die direkt vom Kulturminister ausgewählt wurden. Selbst Franz Liszt schaffte es nicht. Doch Jakobs Vater war hartnäckig und der Sohn konnte auf der damals bedeutendsten Schule Cello studieren. Allerdings brach der Student schon bald das Studium ab und konzentrierte sich aufs Komponieren. Unter seinem neuen Vornamen konnte sich Jacques Offenbach auf der großen Bühne der etwas leichteren Muse schnell einen Namen machen und zur Weltausstellung 1855 gar ein eigenes Theater gründen.
Heute gilt dieser Jacques Offenbach als „Erfinder der Operette“ – allerdings Vorsicht: Nicht alles, was leicht daherkommt, ist es auch. Offenbach selbst benutzte die Bezeichnung Operette nie, und der Wiener Karl Kraus, gebeutelt von den Operetten Lehárs und Strauss’, erfand den passenderen Begriff: „Offenbachiaden“. Denn tatsächlich hat er etwas eigenes geschaffen – doch was? Ernste Musik, wenn’s heiter wird und doch eher umgekehrt? Das müssen die Hörer wohl selbst entscheiden, eines aber ist gewiss: Seine Melodien sind nicht bloß eingängig, sie können gleichsam tief berühren.
Und dass die Themen seiner Werke auch nicht immer so leicht waren, wie sie scheinen, damit wiederum mussten sich die Zensoren im Reich des Napoleon III. so manches Mal befassen. Denn wenn der listige Komponist mit seinen Librettisten sich lustig macht über die großbürgerlichen Formen des Militarismus, dann spielte sich das Bühnengeschehen zwar in frei nach fernöstlichen Vorbildern gestalteten Ländern ab, aber die Parodie galt dann doch den Zuständen am Hof des Second Empire. Und als sich Offenbach nicht scheute, auf der Bühne einen Hund zum Herrscher zu machen, den die Untertanen endlich achteten, da wurde es den wahren Herrschenden zu bunt und verboten das Werk – erst 158 Jahre später sollte „Barkouf“ in der Rheinoper zu Straßburg wieder einmal auf einer Bühne knurren dürfen.
In Paris war für Offenbach dann 1871 Schluss mit lustig, als nämlich der preußisch-französische Krieg für Frankreich verloren ging. Denn da entdeckte man plötzlich, dass der neckische Komponist aus Deutschland stammt. Die französische Presse scholt ihn als Spion Bismarcks, die deutsche als Vaterlandsverräter. Der Komponist ging auf Tournee in ferneren Ländern und feierte Erfolge in England und den USA. Doch von 1877 an plante er einen letzten Frontalangriff auf die Pariser Bühnen. Er begann, „Hoffmanns Erzählungen“ zu vertonen, die heute als Offenbachs größtes und vor allem anspruchsvollstes Werk gelten. Und fast, als wäre es eine Selbstbetrachtung, lehrt uns die Muse aus der ersten Szene, dass der Mensch durch Liebe Größe erreichen kann, doch erst unter Tränen vermag er über sich hinauszuwachsen.
Umso tragischer, dass der Komponist seinen größten Erfolg nicht mehr erleben durfte. Jacques Offenbach starb wenige Monate vor der geplanten Uraufführung an der Opéra-Comique in Paris. Die Gesangspartien konnte er noch fertigstellen, die finale Orchestrierung übernahm Ernest Guiraud, der bereits die feurige „Carmen“ nach dem Tod Georges Bizets vollendete.
Der Komponist aber sollte auf seine Weise lebendig bleiben. Hartnäckig hielt sich sein Ruf als Gespenst der Oper, das man – einmal herbeigerufen – nicht mehr los wird. Zweimal nämlich sollten die Häuser, während dort Hoffmann seine Frauengeschichten zum Besten gab, beinahe abgebrannt sein: dasWiener Ringtheater und ausgerechnet die PariserOpéra-Comique.
Zur erneuten Neuauflage des turbulenten Stückes an der Rheinoper zu Straßburg werden Pierre Dumoussaud als Dirigent und die Niederländerin Lotte de Beer als Regisseurin wirken. Sie versprechen den Klassiker aus einer ganz neuen Perspektive zu betrachten, unter der vor allem das dämonische Innenleben des phantasierenden Künstlers in den Fokus rücken soll. Hoffen wir mal, dass dem Haus am Place Broglie während dieser brandaktuellen Version von Hoffmanns Erzählungen ein echter Brand erspart bleibt, zumaldas altehrwürdige Gebäude ja ohnedies schon bald renoviert und damit komplett umgestaltet werden könnte – ganz ohne verheerendes Feuer.
Hoffmanns Erzählungen
Oper in fünf Akten von Jacques Offenbach aus dem Jahr 1881
Dirigent: Pierre Dumoussaud
Regie: Lotte de Beer
Musik: Philharmonie Straßburg OPS
Opéra Straßburg
MO 20. Januar, 20 Uhr
DO 23. Januar, 20 Uhr
SO 26. Januar, 15 Uhr
DI 28. Januar, 20 Uhr
DO 30. Januar, 20 Uhr
La Filature Mülhausen
FR 7. Februar, 20 Uhr
SO 9. Februar, 15 Uhr
Tickets und Information gibt’s hier!
Weitere Veranstaltungen der Rheinoper Straßburg:
Rezital – Patricia Petibon, Sopran
Breitgefächerter Liederabend mit Liedern von Jean-Philippe Rameau, Samuel Barber, Aaron Copland, Eric Satie und anderen.
MI 22. Januar, 20 Uhr
Werther von Jules Massenet
Konzertante Version der französischen Oper mit vier Singstimmen nach Goethes Liebesroman, gespielt vom Kammerorchester Genf. In der Hauptrolle des Werther ist Pene Pati zu hören – wenn die Talentfinder des Opernbetriebs Recht behalten, einer der zukünftigen Startenöre auf seinen Bühnen.
SO 2. Februar, 15 Uhr
Rezital – Nina Stemme, Sopran
Melodien aus Skandinavien, Lieder von Stenhammer, Koch, Sibelius und Rangström
SA 8. Februar, 20 Uhr
Peer Gynt – Oper von Edvard Grieg
Konzertante Aufführung in Zusammenarbeit mit der Straßburger Philharmonie OPS.
FR 14. und SA 15. Februar um 20 Uhr, SO 16. Februar 15 Uhr
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