Helge Braun möchte auch mal Macron spielen…

Kanzleramtschef Helge Braun kündigt freihändig an, dass künftig „Geimpfte mehr Freiheiten haben werden als Ungeimpfte“. Die Reaktionen auf sein Vorpreschen sind heftig.

Helge Braun würde gerne mal so autoritär 'rüberkommen wie Emmanuel Macron. Aber dazu fehlt ihm das Format. Foto: Tobias Koch / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Sie kennen Helge Braun nicht? Der Kanzleramtschef im Ministerrang ist einer der engsten Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel und ähnelt erstaunlich dem amerikanischen Schauspieler Brian Baumgartner, der in der amerikanischen Version der Serie „The Office“ den Kevin Malone spielt. Am Wochenende meinte Helge Braun, es dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gleichtun zu müssen und kündigte an, dass auch Deutschland künftig eine Zwei-Klassen-Gesellschaft werde, aufgeteilt in gute Deutsche (die Geimpften, die ihre Freiheiten zurückerhalten) und schlechte Deutsche (die Nicht-Geimpften, die in Zukunft sehr kurz gehalten werden). Nur – Helge Braun ist nicht Emmanuel Macron und Deutschland ist keine Präsidial-Monarchie, in der solche Dinge von einem Kanzleramtschef entschieden werden können. Kein Wunder, dass die Opposition angesichts der Aussagen von Braun auf den Barrikaden steht.

Auch als Weissager betätigt sich Helge Braun, der bis September und zur Bundestagswahl für Deutschland eine Inzidenz von 850 vorhersagt. Und seine eigene Prognose veranlasst Braun, ein seltsames Szenario zu zeichnen. So verkündete der Kanzleramtschef, dass dann Geimpfte mehr Freiheiten haben werden als Ungeimpfte und damit sein Szenario auch richtig wirkt, kündigte er auch an, dass die dann für Ungeimpfte geltenden Einschränkungen auch für getestete, aber nicht geimpfte Personen gelten sollen. Zu solchen Aussagen hatte sich allerdings nicht einmal Macron verstiegen, der ansonsten selten zögert, autoritäre Maßnahmen zu verhängen.

Konkret stellt sich Braun die Situation dann so vor, dass Ungeimpfte dann nicht mehr ins Restaurant, ins Kino oder Stadion dürfen, selbst, wenn sie einen aktuellen PCR-Test vorlegen. Das wäre dann die gesellschaftliche Ächtung der Nicht-Geimpften und käme einem Impfzwang für die gesamte Gesellschaft gleich.

In Brauns Szenario werden wir zum Zeitpunkt der Bundestagswahl täglich bis zu 100.000 Neuinfektionen haben und dann ist diese Spaltung der Gesellschaft für ihn unumgänglich. Da stellt sich die Frage, angesichts dieser befürchteten Entwicklung, warum ständig die sanitären Maßnahmen weiter gelockert und teilweise abgeschafft werden, wenn uns eine so dramatische neue Welle ins Haus steht? Tauscht die Bundesregierung etwa die Sommerferien, in denen sie offenbar mit einer Explosion der Infektionszahlen rechnet, gegen die Spaltung der Gesellschaft? Müssten nicht JETZT Maßnahmen ergriffen werden, um diese befürchtete Megawelle zu verhindern? Und würde es dann nicht mehr Sinn machen, die Menschen vom Nutzen der Impfungen zu überzeugen, statt auf Macron’sche Art Angst und Schrecken zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten?

FDP, Die Linke und auch Koalitionspartner SPD haben scharf auf den Vorstoß von Helge Braun reagiert und die Verfassungsmäßigkeit solcher Sanktionen massiv in Frage gestellt. Angela Merkel sollte ihren Kanzleramtschef besser unter Kontrolle halten. Bislang hat die Bundesregierung es mehr oder weniger geschafft, einen weitgehenden Konsens in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten (der lediglich von „Querdenkern“ unterlaufen wird) und eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Angesichts der heftigen Reaktionen auf seine Vorschläge hat Helge Braun aber sicherlich an diesem Wochenende eines gelernt: Nicht jeder, der gerne Macron wäre, ist auch Macron. Schon gar nicht Helge Braun mit seinen autoritären Tagträumen.

1 Kommentar zu Helge Braun möchte auch mal Macron spielen…

  1. Ich denke nicht, dass Ihre Wiedergabe und die unterstellte Intention oder mentale Nähe zu Macron korrekt ist. Sicher ist das Vorpreschen heftig, aber wenigstens kommt die Diskussion endlich und hoffentlich noch früh genug in Gang.

    Wir haben im Moment geringe Inzidenzen. Und was man beobachten kann ist, dass die Leute die wiedergewonnene Freiheit nicht vernünftig genießen sondern schlicht “die Sau” rauslassen. Die Folgen sind erkennbar, brauchen wir nicht diskutieren. Und wenn wir jetzt noch darüber nachdenken, dass sich einige Zeitgenossen aus “ethischen oder sonstigen Gründen” nicht impfen lassen wollen dann ist klar, dass wir im Spätherbst alle wieder daheim hocken dürfen.

    Also, lieber mal ordentlich auf den Tisch hauen, Diskussion anstoßen, den Lindners der Welt mal zeigen dass ihre Freiheitsvorstellungen purer QUATSCH sind und überlegen, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden müssen.

    So funktionieren Mediendemokratien halt ..

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