Heute säße Joseph in Abschiebehaft…

Die Weihnachtsgeschichte könnte heute gar nicht mehr so stattfinden wie vor 2021 Jahren. Sollte Jesus tatsächlich auf die Erde zurückkehren, um die Menschheit zu erlösen, würde er verhaftet werden...

Nach heutigem Rechtsverständnis wäre das wohl eine "kriminelle Vereinigung"... Foto: Wolf D. / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Welt 2021 ist nicht mehr die Welt vor 2000 Jahren. Das mag in vielen Bereichen positiv sein, aber sicher nicht in allen. Gewiss, nach der Erzählung eckte Jesus von Nazareth auch damals schon mächtig an, aber heute käme er schon gar nicht mehr dazu. Wollte er heute noch einmal die Menschheit retten, dann würden wir das zu verhindern wissen.

Geboren in einem Stall, von einer vermutlichen minderjährigen Mutter, die eine haarsträubende Geschichte der „jungfräulichen Empfängnis“ erzählt und dafür sehr wahrscheinlich in eine geschlossene Anstalt eingeliefert würde, sediert mit allen möglichen Psychopharmaka und solange sie nicht etwas anderes erzählt, würde sie wohl in der Psychatrie bleiben.

Joseph würde vermutlich in Untersuchungshaft sitzen, denn die Tatsache, dass der Mann mit einer schwangeren Minderjährigen durch die Gegend zieht, begründet einen Anfangsverdacht auf Entführung, Mißbrauch Minderjähriger und aller möglichen anderen Anklagepunkte. Und das Kind Jesus wäre dann in Obhut des Jugendamtes gegeben worden, das im Idealfall eine Pflegefamilie für den Kleinen gefunden hätte.

Dazu haben Vater, Mutter und Kind keine Papiere, was den ganzen Fall noch suspekter macht. Da man das Kind nur schwer belangen kann, die Kindsmutter in einer geschlossenen Anstalt ruhiggestellt würde, bleibt also nur Joseph. Und der käme, als ausweisloser Ausländer, gegen den noch dazu Ermittlungen laufen, in eine Mischung aus Untersuchungs- und Auslieferungshaft.

Die Drei Heiligen Könige wären ebenfalls schon an der Grenze verhaftet worden („Jaja, Weihrauch und Myrrhe, das können Sie jemand anderem erzählen…“) und der Stall zu Bethlehem wäre als möglicher Tatort bereits polizeilich gesperrt worden.

Für etwaige Menschheitsretter wird die Aufgabe immer schwieriger. Die wirren Geschichten der Kindsmutter, des Zimmermanns und der Drei Könige würden als Gewäsch von Querdenkern abgetan werden, als Komplott-Theorien, gegen die man mit dem Paragraphen „Landfriedensbruch“ vorgehen würde.

Und der kleine Jesus? Der wäre bei einer Pflegefamilie untergekommen, wo man ihm seine verqueren Gedanken und seine altkluge Ausdrucksweise schon ausgetrieben hätte. Wenn er dann im jugendlichen Alter angefangen hätte zu predigen und Jünger um sich zu scharen, wäre das als Sekte durchgegangen und hätte ebenfalls seine Verhaftung rechtfertigt. Wie eben auch schon vor 2000 Jahren.

Wäre ein „moderner Jesus“ in den USA groß geworden, hätten ihm ewig lange Haftstrafen gedroht, bei uns eher die Psychiatrie. Und die Sozialen Netzwerke wären übergekocht und jeder hätte seine ganz eigene Meinung zu diesen seltsamen Personen gehabt.

Für uns alle ist das nicht so toll, denn wenn diese Welt einen Retter oder gerne auch eine Retterin brauchen könnte, dann jetzt. Aber das ist wohl ohnehin illusorisch, wir werden die aktuellen Probleme selbst lösen müssen. Nur soviel sei bereits verraten – von denjenigen, die sich momentan als „Retter der Menschheit“ aufspielen, ist es keiner. Diese Leute sind nicht etwa Teil einer Lösung, sondern sie gehören zu den Problemen, die wir irgendwann selbst lösen müssen. Denn selbst, wenn heute ein Menschheitsretter auftauchen würde, würden ihn unsere gut geölten Systeme schneller mundtot machen, als wir „Blaubeerkuchen“ sagen könnten…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste