Heute wacht Frankreich ohne Regierung auf
Premierminister Michel Barnier hat das Misstrauensvotum in der Nationalversammlung klar verloren und muss zurücktreten. Die „Debatte“ im Parlament war unterirdisch.
(KL) – Es hätte schon ein Wunder gebraucht, damit Michel Barnier sein Amt als Premierminister hätte behalten können. Nachdem Präsident Macron aus einer Laune heraus im Juni das Parlament aufgelöst hatte, um die Franzosen dafür zu „bestrafen“, dass diese bei der Europawahl seine Kandidaten hatten durchfallen lassen, befindet sich Frankreich in einer seit Monaten andauernden Regierungskrise, zumal Macron die Ergebnisse der von ihm veranlassten Wahlen einfach ignorierte und seine abgewählte Mitte-Rechts-Regierung durch eine Rechts-Rechts-Regierung ersetzt hatte und mit Michel Barnier einen Regierungschef ernannte, dessen Partei bei den Wahlen gerade einmal 6 % der Stimmen geholt hatte. Das ist so, als würde man Christian Lindner zum Bundeskanzler ernennen…
Das Votum war eindeutig und alles andere als knapp – Barnier wurde mit 331 Stimmen gestürzt und auch, wenn die noch verbliebenen „Macronisten“ aufheulen, dass Barnier sowohl mit den Stimmen der Rechtsextremen wie auch der Linksextremen gestürzt wurde, so bedeutet dies nicht, dass Frankreich am Ende ist oder dass es jetzt eine Zusammenarbeit zwischen Links- und Rechtsextremen gibt. Frankreich ist in der Krise, ja, aber nicht am Ende.
Klar ist nur, dass dieser Präsident nicht länger haltbar ist – vier heftige Niederlagen in einem halben Jahr sollten sogar ihm verdeutlichen, dass das Tischtuch zwischen der „Macronie“ und den Franzosen definitiv zerschnitten ist. Es kann sein, dass der erste Sturz einer französischen Regierung seit 1962 ein heilsamer Elektroschock ist, denn ab sofort kann es kein „weiter so“ mehr geben. Frankreich muss jetzt sein politisches System hinterfragen und neu aufstellen, denn die V. Republik ist am Ende.
Anders, als es gestern in der unterirdisch schlechten Debatte von den letzten „Macronisten“ behauptet wurde, sind es nicht die linke „Neue Volksfront“ und das rechtsextreme „Rassemblement-ex-Front National“, die für diese Regierungskrise verantwortlich sind, sondern die „Macronisten“ selber, die dieses Chaos ausgelöst haben. Als einzige Option hatten die im Parlament in der Minderheit befindlichen „Macronisten“ den Oppositionsparteien vorgeschlagen, ihre eigentlich bereits abgewählte Regierung zu unterstützen, was weder links noch rechts akzeptabel war, da diese Haltung das Ergebnis des überraschenden Ignorierens des Wahlergebnisses vom Juni/Juli war.
Die Franzosen haben dieses Feuilleton kaum noch verfolgt, denn die „Debatten“ waren derart schlecht und die Parteien unfähig, Kompromisse zu schließen. Zu Kompromissen waren die Parteien nur dann bereit, wenn andere Parteien akzeptiert hätten, die jeweils eigenen Positionen zu 100 % zu übernehmen. Diese Unfähigkeit zum Kompromiss herrschte in allen Parteien, von linksextrem über die Mitte bis rechtsextrem.
Nun ist erneut Präsident Macron gefordert, dem die Aufgabe obliegt, den nächsten Regierungschef zu nominieren. Das allerdings wird eine schwierige Aufgabe werden, denn so lange es keine Mehrheiten im Parlament gibt, ist der Job des Regierungschefs von Macrons Gnaden ein Schleudersitz und sich kurz vor den nächsten Neuwahlen als Erfüllungsgehilfe dieses Präsidenten zu präsentieren, kann nicht im Interesse von Politikern liegen, die ihre Karriere gerne fortsetzen würden.
Doch wird Frankreich nicht aufhören zu funktionieren, bis es einen neuen Haushalt gibt (das könnte dauern), wird der Haushalt 2024 weitergeführt und alle Parteien sind in dieser Situation gezwungen, sich zu hinterfragen und neu auszurichten. Und das kann Frankreich nur guttun. Noch besser für Frankreich wäre es allerdings, würde der wohl schlechteste Präsident der V. Republik zurücktreten, so, wie es sich heute zwei Drittel der Franzosen wünschen. Frankreichs Probleme haben einen gemeinsamen Nenner und der heißt Emmanuel Macron. Man darf gespannt sein, wie es in Frankreich weitergeht.
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