Heute wird der Aachener Vertrag unterschrieben

Selten wurde so viel Blödsinn geschrieben wie über den neuen „Aachener Vertrag“, der heute in der Kaiserstadt von Emmanuel Macron und Angela Merkel unterschrieben wird.

Der "Aachener Vertrag" ist ein Schritt in die richtige Richtung, mehr aber leider nicht. Foto: ActuaLitté / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Jetzt, wo der endgültige Text des „Aachener Vertrags“ bekannt ist, kann man darüber diskutieren. Doch sollte man anders darüber diskutieren als es die Rechtsextremen in Frankreich gerade tun. Ein Abgeordneter der Rechtsextremen hatte in den sozialen Netzwerken die Falschmeldung lanciert, dass Frankreich im Rahmen dieses neuen Abkommens „das Elsass und Lothringen an Deutschland abtreten“ würde. So dreist diese Lüge war, so heftig waren die Reaktionen in der ohnehin bereits aufgeheizten Stimmung in Frankreich, wo sofort lauthals nach einer Volksabstimmung gerufen wurde, damit „Landesverräter“ Emmanuel Macron in seinem Vorhaben gestoppt werden könne, einen Teil Ostfrankreichs an den Erbfeind zu verhökern.

Eigentlich möchte man fast lachen, dermaßen beschränkt und lächerlich war diese Kommunikation. Doch muss man leider feststellen, dass es zahlreiche nicht so in den deutsch-französischen Beziehungen bewanderte Zeitgenossen gibt, die so ziemlich alles glauben, was man ihnen vorsetzt. Schade, dass derart groteske Veröffentlichungen eine eigentlich sinnvolle Diskussion über diesen neuen Vertrag fast verhindern, dabei wäre es angesagt, diesen neuen Vertrag auch kritisch zu betrachten.

Verschiedene Punkte aus dem ursprünglichen Entwurf sind gestrichen worden, was den gesamten Vertrag deutlich abschwächt. Klar erkennbar ist der Wille, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu stärken, künftig in Europa mit möglichst einer Stimme zu sprechen und als „Tandem“ positiv auf die weitere Entwicklung Europas einzuwirken. Die Absichtserklärungen, speziell, was die Zusammenarbeit und Integration in den Grenzregionen angeht, lesen sich nett und man ist geneigt, den Autoren ihre gute Absicht abzunehmen. Doch liest man zwischen den Zeilen, dass die Umsetzung der guten Absichten in erster Linie in den Händen der Akteure vor Ort liegt, also dort, wo man sich seit Jahren, seit Jahrzehnten schwer tut, innovativ tätig zu werden.

Waren im ersten Vertragsentwurf noch sehr konkrete Dinge enthalten, wie beispielsweise der Umbau der ohnehin schon sehr deutsch-französisch agierenden Beruflichen Schulen in Kehl in eine echte deutsch-französische Berufsschule oder eine weitere Aufwertung des in Kehl befindlichen Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, so sind diese konkreten Vorhaben gestrichen worden, ebenso wie die Einrichtung eines deutsch-französischen Parlaments mit sehr spezifischen Aufgaben. Schade, denn durch das Streichen dieser und anderer Punkte ist man insgesamt zu kurz gesprungen.

Gerade ein deutsch-französisches Parlament, in dem laut ursprünglicher Planung je 50 Abgeordnete aus beiden Ländern sitzen sollten, war nicht nur als Hüterin der Umsetzung deutsch-französischer Politikvorhaben vorgesehen, sondern vor allem als Instanz, die dafür sorgt, dass beide Länder synchron die europäischen Richtlinien umsetzen, was bislang nicht der Fall ist. Doch statt darüber diskutieren zu können, muss man sich in Frankreich mit den Falschmeldungen auseinandersetzen, die von denjenigen lanciert werden, die ansonsten permanent vor sich hinheulen, weil sie sich von der „Lügenpresse“ nicht richtig dargestellt sehen.

Der „Aachener Vertrag“ ist in sich eine gute Sache, auch, wenn die Verantwortlichen auf der Zielgeraden ein wenig der Mut verlassen hat. Die deutsch-französische Zusammenarbeit in den Grenzregionen und darüber hinaus kann durch diesen Vertrag gestärkt werden und er gibt den Akteuren vor Ort eine zusätzliche Legitimation, ihre deutsch-französischen und europäischen Projekte durchzuführen. Man darf gespannt sein, ob diejenigen, die seit Jahren nur zögerliche Fortschritte in den deutsch-französischen Beziehungen hinbekommen haben, mit diesem neuen Instrument besser arbeiten.

Und nur nochmal zum Mitschreiben – die einzigen, die sich offenbar mit der Frage der nationalen Zugehörigkeit des Elsass und Lothringens auseinandersetzen, sind die französischen Rechtsextremen. Daran sollten sich die französischen Nachbarn möglichst bei der kommenden Europawahl erinnern…

4 Kommentare zu Heute wird der Aachener Vertrag unterschrieben

  1. Ein Vertrag dessen Text dem Volk sicherheitshalber vorenthalten wird, vor der Unterzeichnung. Das ist Volksverrat.

    • Eurojournalist(e) // 22. Januar 2019 um 16:33 // Antworten

      Ihr Duktus (“Volksverrat) lässt auf ganz schlimme Dinge schliessen. Ich genehmige Ihren Kommentar (mutig aus dem Anonymat heraus, wie so oft bei verwirrten Rechtsextremen) rein aus Dokumentationszwecken.

  2. Leider kenne ich den ursprünglichen Vertragsentwurf nicht, aber der jetzt unterzeichnete Text ist zu weiten Teilen unter “Papier ist geduldig” abzuhaken. Hehre, aber diffuse Zielsetzungen, Gremien ohne Befugnisse, keine Zahlen oder nachprüfbare Verpflichtungen.

    Ob z.B. bei der Förderung der Zweisprachigkeit in den Grenzregionen, zu der sich die Vertragspartner verpflichtet haben, die Lücke zwischen Absichtserklärungen und praktischer Politik vornehmlich auf französischer Seite, nun zumindest kleiner wird, wird man sehen.

  3. Der Vertrag wurde auf einer Seite der Regierung veröffentlicht und ist für jedermann einsehbar.

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