Hochsicherheits-Weihnachtsmarkt

Nach dem Attentat im letzten Dezember wird dieses Jahr der Straßburger Weihnachtsmarkt in eine Hochsicherheitszone verwandelt. Halbtags.

Ja, so stellt man sich doch Weihnachten vor - Strassensperren, Personenkontrollen und massive Polizei- und Militärpräsenz... Foto: Kevin.B / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – der Weihnachtsmarkt gehört zu den Höhepunkten im Straßburger Jahreskalender. Einer der ältesten, wenn nicht der älteste Weihnachtsmarkt der Welt zieht jedes Jahr rund 2 Millionen Touristen an, die sich allerdings dieses Jahr auf einiges gefasst machen müssen. Ebenso wie die Bewohner der Straßburger Innenstadt, die in den vier Wochen zwischen dem 22. November und dem 24. Dezember wieder eine Art Ausnahmezustand erleben werden. Doch es ist seltsam, dass es sich um einen Teilzeit-Hochsicherheits-Weihnachtsmarkt handeln wird – denn außerhalb der Öffnungszeiten des Weihnachtsmarkts ist die Innenstadt für Touristen, Terroristen und andere Zeitgenossen sperrangelweit offen.

Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen sind 2019 geplant: verstärkte Polizei- und Militärpräsenz in der Innenstadt, verschärfte Taschen- und Personenkontrollen an den Zugängen zur Innenstadt, eine reduzierte Anzahl Zugänge zur Innenstadt, die Tram- und Bushaltestellen in der Innenstadt werden nicht angefahren – doch letztlich sind diese Maßnahmen vor allem für die Galerie. Denn sobald die Hütten auf dem Weihnachtsmarkt geschlossen sind, steht die Innenstadt bis zum nächsten Vormittag wieder offen. Ohne Kontrollen.

Man müsste als Terrorist schon ziemlich dämlich sein, tagsüber zu versuchen, eine Waffe oder Sprengstoff in die Innenstadt zu transportieren – es geht auch einfacher, wenn man das eben spätabends oder nachts oder morgens macht. Insofern ist klar, dass die groß angelegten Kontrollen durch private Sicherheitsdienste vor allem einem dienen – dem Gefühl, die Stadt sorge für Sicherheit.

Es geht, natürlich, um das Geschäft der Einzelhändler, die in diesen vier Wochen einen großen Teil ihres Jahresumsatzes erzielen. Das muss natürlich geschützt werden, doch wenn die Besucher genervt ob dieses Hochsicherheits-Weihnachtsmarkts wegbleiben und lieber die zahlreichen kleinen Weihnachtsmärkte in der Regio besuchen, dann haben die Einzelhändler auch nicht so richtig viel davon.

Die Stimmung wird unter all den Sicherheitsmaßnahmen leiden, das steht fest. Seinen Glühwein unter den prüfenden Blicken ziviler und uniformierter Waffenträger zu schlürfen, nachdem man nach ewigen Wartezeiten und dem obligatorischen Abgegrabbeltwerden durch Sicherheitsleute endlich in die Innenstadt gekommen ist, das ist eben nicht jedermanns Sache.

Umgekehrt wäre es auch nicht möglich gewesen, gar nichts zu machen. Man stelle sich vor, die Stadt Straßburg würde die Sicherheitsmaßnahmen reduzieren und es käme zu einem Zwischenfall! Doch wenn man schon in Sicherheit investiert, warum dann nicht rund um die Uhr? Es ist geradezu lächerlich, dass es möglich ist, von 22 bis 10 Uhr morgens Sprengstoff und Waffen in die Innenstadt zu bringen und dort zu verstecken, aber ab 10:05 Uhr die Einkaufstaschen von Hausfrauen auf den Kopf gestellt werden.

Es wäre vielleicht an der Zeit, das Konzept dieses ältesten, schönsten, alle Superlative toppenden Weihnachtsmarkts komplett zu überdenken. Ihn vielleicht kleiner machen, statt einen Monat lang die ganze Innenstadt in eine Halbtags-Hochsicherheitszone zu verwandeln. Wenn Sicherheit, dann auch richtig und 24 Stunden am Tag.

Doch Freude will bei all dem nicht so richtig aufkommen – die Straßburger bereiten sich seelisch auf einen Monat Belagerungszustand vor und was das am Ende noch mit „Weihnachten“ zu tun haben soll, das wissen wohl bloß die Einzelhändler in der Straßburger Innenstadt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste