„Houston, wir haben ein Problem…“

Die Klima-Mondlandung, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen angekündigt hat, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Doch der Motor der Rakete dorthin stottert schon vor dem Start.

Die Rakete für die "Klima-Mondlandung" steht noch in der Rampe, doch der Motor stottert bereits. Foto: Bill Ingalls / NASA / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Das Ziel ist klar formuliert und wer könnte es in Frage stellen? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will, dass die EU bis 2050 klimaneutral ist. Wie sie es formulierte, ist dies ein Projekt, „so groß wie die Mondlandung“. Das stimmt, denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als das künftige Leben in Europa, und natürlich auch auf diesem Planeten. Damit diese „Mondlandung“ klappen kann, müssen alle EU-Staaten mitziehen.

Die Rakete für diese Reise soll, so der Wille von Ursula von der Leyen, mit 1,135 Billionen Euro europäischer Gelder befeuert werden, was 1,114 % des EU-Bruttosozialprodukts entspricht. Doch schon bei der Frage des Treibstoffs sind sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten (Großbritannien schon herausgerechnet) nicht einig. Dänemark, Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden wollen nur 1 % des EU-BIP in die Rakete tanken und das Europäische Parlament, ohne dessen Zustimmung diese Rakete gar nicht starten kann, würde mit 1,3 % lieber Super tanken. Das EU-Parlament, das am Ende zustimmen muss, fordert noch mehr, nämlich 1,3 Prozent. Und wie so oft in den letzten Jahren sind die Visegrad-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn erst einmal ganz gegen den Start der Rakete und melden bereits im Vorfeld an, dass sie nur dann zum Mitmachen bereit sind, wenn die EU ihnen weitere Gelder zusagt. Und Ungarns Viktor Orban will als erstes einmal die Atomkraft als die einzig selig machende Energiequelle festschreiben lassen, denn immerhin „ist das die einzige emissionslose und damit saubere Energiequelle“. Ein von allen gemeinsam getragener Raketenstart sieht anders aus.

Angesichts des rapiden Klimawandels zeigen sich viele Wissenschaftler besorgt, ob die Entwicklung bis 2050 überhaupt noch umgekehrt werden kann, vor allem, wenn man bedenkt, dass trotz aller Ankündigungen im Jahr 2018 mehr CO2-Emissionen weltweit registriert wurden als jemals zuvor. Ein radikaler Richtungswechsel wäre also tatsächlich dringend erforderlich und Ursula von der Leyen hat völlig Recht, dieses Programm zum Herzstück ihrer Amtszeit zu machen. Nur – europäische Begeisterung müsste anders aussehen.

Was die Umsetzung dieses Programms angeht, klingt das alles erst einmal gut und richtig, doch müssten wir alle unser Verhalten in Rekordzeit grundsätzlich verändern, vom einzelnen Bürger angefangen bis hin zum gesamten Funktionieren unseres Wirtschaftssystems. Was das konkret bedeutet, kann momentan noch niemand sagen, doch der Klima-Countdown bis um Umkippen tickt und tickt.

Nach wie vor setzen die nationalen Regierungen ihre eigenen politischen Interessen über das europäische und weltweite Gemeinwohl. Allen voran Deutschland – der aus wahltaktischen Gründen auf 2038 terminierte Ausstieg aus dem die Umwelt am stärksten belastenden Energieträger Kohle ist einer der Gründe, warum das Erreichen der Klimaneutralität 2050 extrem schwierig wird. Das allerdings bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die Rettung unseres Lebensraums von der Sorge politischer Parteien abhängt, eventuell bei der nächsten Wahl nicht wiedergewählt zu werden. So lange diese Einstellung auf Ebene der Entscheider vorherrscht, kann die „Klima-Mondlandung“ nicht klappen.

Eines der vielen Probleme, die noch vor dem Start der Rakete gelöst werden müssen, ist der Umstand, dass die Kosten für die klimatechnische Rettung Europas das aktuelle Budget der EU übersteigen. Finnland hat als Kompromiss vorgeschlagen, dieses von 1% der EU-BIP auf 1,07% zu erhöhen, doch selbst dafür gibt es keine Einigkeit. Es steht zu befürchten, dass der ehrenwerte Vorschlag von Ursula von der Leyen im Hick-Hack zwischen Haushaltsverhandlungen, Erpressungsversuchen durch die Visegrad-Staaten und nationalen Politikinteressen verwässert wird. Im Februar 2020 soll erneut über das Projekt gesprochen und verhandelt werden. In der Zwischenzeit aber steigen die Emissionen weiter und weiter – und statt aus der Umweltkatastrophe heraus zu rudern, rutschen wir immer tiefer hinein. Und so ruhen die Hoffnungen nun darauf, dass sich Ursula von der Leyen als große Europäerin entpuppt, die es schafft, das gerade auseinanderbrechende Europa um das Thema der Klimarettung doch noch zu einen. Das wäre in der Tat eine bemerkenswerte Leistung, geradezu historisch. Wie die Mondlandung.

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