Hurra, wir sind im Krieg!

Gestern hat das Kabinett den Einsatz der Bundeswehr in Syrien beschlossen. Die erforderliche Zustimmung im Bundestag ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse eine reine Formsache.

Gegen Ende eines Kriegs, wenn Millionen Menschen gestorben sind, merkt man meistens, dass Krieg doch ziemlich schlimm ist und dann verspricht man sich, dass es so etwas nie wieder geben darf. Bis zum nächsten Mal. Foto: Barrère Adrien (1877 - 1931), Illustrateur / Wikimedia Commons / PD

(KL) – So fangen große Kriege an. Ausgehend von einem lokalen Konflikt engagieren sich die Großmächte, aber natürlich nur dort, wo man auch selbst wirtschaftliche Interessen hat. Und natürlich im Glauben, dass der Krieg eine flotte Angelegenheit wird, dass er nicht das eigene Territorium betreffen wird und dass man selber dabei ungeschoren davon kommt. Die 40 Millionen Toten der letzten beiden Weltkriege sprechen zwar eine deutlich andere Sprache, doch das interessiert im allgemeinen „Hurra“ sowieso niemanden.

Ebenso wenig wie überflüssige Dinge wie „Völkerrecht“. Dass die UNO in ihrer Resolution zum Thema Syrien und IS keinesfalls ein militärisches Mandat erteilt hat, spielt keine Rolle mehr. Jetzt sollen Köpfe rollen, zwar nicht so bestialisch, wie der IS seine Opfer tötet, aber dennoch. In der trügerischen Hoffnung, dass durch Gewalt die Welt befriedet werden könnte. Wie erfolgreich diese Strategie ist, erleben wir zwar seit 2001 durch den amerikanischen „Krieg gegen den Terror“. Wenn man mit dieser Strategie zwar nicht den Terror beseitigt, sondern im Gegenteil, weiter anstachelt, dann sorgt man doch wenigstens dafür, dass die einheimische Wirtschaft floriert, vor allem die Waffenindustrie. Ach ja, kennen Sie in der Geschichte der Menschheit einen einzigen Krieg, der nicht auf dem Rücken der ärmeren Teile der Gesellschaft ausgetragen wurde, sondern dieser irgendetwas genützt hätte?

Aber egal, wir rufen „Hurra“ und machen uns auf den Weg nach Syrien! Auch die Briten werden wohl mitmachen und es sieht ganz danach aus, als würde das ein großartiges High-Tech-Spektakel werden. Dass wir dabei auch die Zivilbevölkerung einer ganzen Weltregion als Kollateralschaden mit erwischen, egal – die hätten sich ja auch rechtzeitig gegen Assad, den „Islamischen Staat“ oder sonstwen wehren können. Selbst Schuld, wenn sie die Situation so haben eskalieren lassen. Im Grunde ein wenig wie wir Deutschen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Bevölkerung sich ja auch wie ein Mann gegen den aufziehenden Faschismus, die Judendeportationen in allen Städten und Dörfern und den drohenden Weltkrieg wehrte. Haben wir nicht? Na ja, der französische Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen würde das wohl als ein „Detail der Geschichte“ bezeichnen…

Krieg, das sollte man sich vor Augen halten, bedeutet Not, Sterben und Elend. Krieg bedeutet gleichzeitig auch glänzende Geschäfte für eine global agierende Waffenindustrie und zahlreiche andere Wirtschaftszweige. Krieg bedeutet Opfer für die Ärmsten und satte Gewinne für die Reichsten. Krieg, das ist der Ausdruck der Ideenlosigkeit der Mächtigen – wenn die Vernunft schweigt, sprechen die Waffen.

Ja, aber man muss sich doch gegen diese Terroristen wehren, werden Sie jetzt sagen. Natürlich muss man sich gegen diese Terroristen wehren. Doch wenn man das nachhaltig tun will, dann muss man sie da treffen, wo es ihnen richtig weh tut. Die militärische Intervention in Syrien und im Irak ist so ziemlich genau das, was die Terroristen des IS wollen – eine offene Konfrontation, mit der sie auch noch im Vorbeigehen einen Krieg zwischen Russland und der NATO auslösen können. Um den sich gerade auch alle nach Kräften bemühen, wenn man den Zwischenfall zwischen der Türkei und Russland richtig deutet. Die IS-Terroristen wollen die Welt ins Chaos stürzen und wir gehen dieser Strategie mit lautem „Hurra“ auf dem Leim. Und machen uns auf zu einem „Auswärtskrieg“, für den wir noch nicht einmal ein Ziel haben. Wir wissen ja noch nicht einmal, was wir in Syrien überhaupt erreichen wollen. Frieden schaffen. Na klar. Indem wir das Land, oder das, was davon noch übrig ist, in Schutt und Asche bomben.

Wir haben ja noch nicht einmal so etwas wie eine gemeinsame Position zu der Frage, wie ein Syrien nach einem solchen militärischen Kahlschlag aussehen soll. Wir haben auch keinerlei Position darüber, wie wir mit den IS-Gruppen umgehen sollen, die Libyen, Ägypten, Tunesien und Afrika bis nach Nigeria und Mali hin terrorisieren. Wollen wir diese Länder nicht auch gleich prophylaktisch atomisieren?

Die Maßnahmen, mit denen man den IS wirklich treffen könnte, werden nicht ergriffen. Der öffentliche Schulterschluss der Weltreligionen findet nicht statt. Es gibt kein weltweites Moratorium, alle Waffenverkäufe zu stoppen, bis die Arsenale leer sind. Es gibt keine Vereinbarung, die Geldflüsse des IS komplett zu isolieren, die Banken zu isolieren und aus den internationalen Geldkreisläufen heraus zu nehmen, die dem IS überhaupt erst die Möglichkeit geben, so etwas wie ein staatsähnliches Gebilde zu errichten. Diese und andere Maßnahmen werden gar nicht erst in Erwägung gezogen, denn sie würden uns selbst dort treffen, wo es uns am meisten weh tut – am Goldenen Kalb des Wirtschaftswachstums. Da rufen wir dann doch lieber „Hurra“ und ziehen in den Krieg. Nach 70 Jahren wurde es ja auch mal wieder Zeit, dass es richtig kracht. Aber glauben Sie nicht, dass Sie diesen Krieg gemütlich daheim am Fernseher oder im Internet verfolgen können – dieser Krieg wird auch bei uns wüten und es wird, wie bei jedem Krieg, nur Opfer geben. Auch bei uns. Soviel ist sicher.

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