Ich konsultiere, du konsultierst, er-sie-es konsultiert…

… und viel mehr passiert in Frankreich gerade nicht auf politischer Ebene. Wer gedacht hatte, dass Frankreich nach der Ernennung von Premierminister Michel Barnier schnell eine Regierung bekäme, sieht sich getäuscht.

Sein neuer Posten als Premierminister ist alles andere als ein Geschenk... Foto: European People's Party / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Seit zweieinhalb Monaten „konsultieren“ Frankreichs Mächtige. Wen sie dabei konsultieren? Sich selbst und gegenseitig, doch man kann es drehen und wenden, wie man will, die Anstrengungen des neuen Premierministers Michel Barnier zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung sind zum Scheitern verurteilt, denn auch die schönsten Erklärungen können nicht darüber hinweg täuschen, dass Barnier nur auf den Rückhalt der „Les Républicains“ im Parlament zählen kann, und die haben gerade mal 47 Abgeordnete. Und damit ist Barnier weit, sehr weit von der erforderlichen Mehrheit von 289 Stimmen entfernt. Das ist ein wenig so, als würde Christian Lindner versuchen, eine handlungsfähige Mehrheit im Bundestag auf die Beine zu stellen.

Dass Präsident Macron nach zwei Monaten des „Konsultierens“ und des Taktierens ausgerechnet einen Premierminister aus den Reihen einer der kleinsten Fraktionen in der Assemblée nationale bestimmt hat, ist mehr als seltsam. Denn bei jeder verlorenen Abstimmung im Parlament muss Barnier damit rechnen, dass sofort danach die Vertrauensfrage gestellt wird und damit die Regierung gestürzt werden kann. Hierfür reicht es, dass das rechtsextreme Rassemblement-ex-Front National und die „Neue Volksfront“ gemeinsam abstimmen und dann ist die Regierung Barnier auch schon wieder Geschichte. Selbst aus der „Macronie“ sind Barnier nicht alle Stimmen sicher und dafür, dass Macron das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben hatte, weil er angeblich „Stabilität“ für das Land wollte, hat der Mann ungefähr alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.

So musste bereits die zentral wichtige Haushaltsdebatte und die Abstimmung über diesen Haushalt um eine Woche verschoben werden, denn entgegen aller Ankündigungen hat Barnier noch keine Regierungs-Mannschaft zusammenstellen können, was sich eben als sehr schwierig erweist. Also „konsultiert“ jetzt statt Macron eben Barnier, doch Bemerkenswertes kann dabei auch nicht herauskommen.

Direkt nach seiner Ernennung sprach Barnier von einer „republikanischen Regierung“, was allerdings vorausgesetzt hätte, dass die drei der vier Parteien in der „Neuen Volksfront“, nämlich die sozialistische PS, die Grünen und die PCF ihre Fraktion verraten hätten, um Barnier und die „Macronie“ an der Macht zu halten. Und dazu haben die linken Parteien, die zusammen mit der LFI die stärkste Fraktion im Parlament stellen, wirklich keinerlei Veranlassung. Gleiches gilt für das rechtsextreme Rassemblement-ex-Front National, das im Parlament die stärkste Einzelpartei stellt, Macron und seinen Adlaten gerade die Linien der künftigen Politik diktiert und ebenfalls keinerlei Grund hat, in eine zum Scheitern verurteilte Regierung einzusteigen, wenn die Partei schon im Hintergrund die politischen Strippen ziehen kann, ohne dabei irgendeine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Bereits die (verschobene) Haushaltsdebatte wird spannend werden und vielleicht überlebt die Regierung Barnier diese sogar. Denn sein oberster Boss wird jede Menge Lärm machen, dass alle, die nicht mit seinem Premierminister stimmen, schlechte Franzosen und schlechte Republikaner seien. Doch spätestens bei der zweiten Abstimmung dürfte die Regierungszeit Barnier auch schon wieder vorbei sein.

Nach wie vor schwebt über allem der Verdacht, dass Macron die Unregierbarkeit Frankreichs gezielt herbeiführt, um sich dann über den Artikel 16 der Verfassung die Alleinherrschaft über das Land zu sichern, da er in diesem Fall vorbei am Parlament, vorbei am Senat und sogar vorbei an der Justiz regieren kann.

Für Michel Barnier, der mit seinen 73 Jahren meint, seine größte politische Stunde zu erleben, könnte sich dieses kurze Intermezzo als der größte Flopp seiner politischen Karriere erweisen. Leidtragende dieser politischen Kabale sind allerdings die Franzosen, die machtlos diesen politischen Slapstick verfolgen müssen, der würdelos, undemokratisch und Frankreichs nicht würdig ist.

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