Ich wär so gerne Minister…

Der Präsident der Region Grand Est Jean Rottner sieht seine große Stunde kommen. Und für die wäre er bereit, seine Partei und das Wählervotum zu opfern. Ziemlich „alte Welt“, das.

Jean Rottner wäre so gerne Minister. Koste es, was es wolle... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Nach den Parlamentswahlen werden in Frankreich nach nur vier Wochen Amtszeit gleich mehrere Ministerposten frei, da die jeweiligen Amtsinhaber in ihren Wahlkreisen nicht ins Parlament gewählt wurden, unter anderem die Gesundheitsministerin Brigitte Bourgignon. Da scheint der im Zivilberuf als Arzt arbeitende Präsident der Region Grand Est, Jean Rottner, doch der Mann der Stunde zu sein. Dazu, so sein Kalkül, muss er nur einer eigenen Partei in den Rücken fallen und das Wählervotum vom letzten Sonntag ignorieren. Kinkerlitzchen, wenn man so große Ambitionen hat. Also brachte Rottner in einem Interview eine Koalition zwischen Macron-Partei und „Les Républicains“ ins Gespräch.

Die Vorzeichen stehen günstig für Jean Rottner, denn bei der Regierungsbildung vor vier Wochen wurde kein einziger Elsässer auf einen Minister- oder Staatssekretärsposten gehievt. Also wäre jetzt mal wieder ein Elsässer einer dran, nachdem mehrere Macron-Minister in ihren Wahlkreisen bei der Stichwahl am letzten Sonntag die Segel streichen mussten.

Das einzige Problem: Jean Rottner ist Mitglied der „Les Républicains“, der Mitte-Rechts-Konservativen und eben nicht der Macron-Partei. In einer Situation, in der laut Umfragen 69 % der Franzosen zufrieden mit dem neuen Parlament sind, in dem es keine absolute Mehrheit mehr für Emmanuel „Jupiter“ Macron gibt und in der sich die Parteien im Parlament erst einmal sortieren müssen, würde Rottner seine Partei gerne zum Erfüllungsgehilfen der „Macronie“ machen, denn dann könnte sich tatsächlich sein Traum von einem bequemen Ministersessel erfüllen.

Rottner hätte also gerne, dass die „Les Républicains“ Koalitionspartner der Macron-Partei werden, denn „man muss jetzt lernen, mit Macron zu arbeiten“. Dabei übersieht Rottner, dass die Wähler genau für das Gegenteil gestimmt haben – nämlich dafür, dass der neofeudal regierende Macron lernt, mit den anderen demokratischen Parteien zu arbeiten. Und das ist etwas, was dem Präsidenten stark gegen den Strich geht, weswegen er bereits einen Aufruf für mögliche Koalitionspartner gestartet hat.

Das allerdings ist nicht einfach, denn in den letzten fünf Jahren hat Macron die politischen Gegner genau so behandelt wie die meisten anderen Franzosen, mit Arroganz und Missachtung. Dies wiederum führt dazu, dass momentan alle im neuen Parlament vertretenen Parteien zwar zusagen, verantwortlich für Frankreich arbeiten zu wollen, gleichzeitig aber eben nicht Juniorpartner ohne Mitspracherecht des Präsidenten sein zu wollen. Doch was kümmern die Interessen der eigenen Partei und das Wählervotum, wenn am Ende ein Ministerposten winken könnte? Oder wenigstens eine Ernennung zum Staatssekretär?

Allerdings ist Jean Rottner nicht derjenige bei „Les Républicains“, der parteiintern das Sagen hat. Und so bleibt sein „Koalitionsangebot“ an die „Macronie“ nicht mehr als der Versuch, die Gunst der Stunde zu nutzen, um einen Plüschsessel in einem Pariser Palast der Macht zu ergattern. Doch damit zeigt Rottner, dass auch er zu den Auslaufmodellen der französischen Politik gehört, der ebenso wie viele andere noch nicht verstanden hat, dass sich die Dinge in der französischen Politik ändern. Das dürften ihm allerdings die Wählerinnen und Wähler bei den nächsten Wahlen deutlich mitteilen, ebenso wie sie es gegenüber seiner Möchtegern-Vorgängerin im Gesundheitsministerium getan haben. Peinlich ist dieses „Nehmt mich, nehmt mich, koste es, was es wolle“ aber trotzdem.

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