Ideologie vs. Wissenschaft

Die Klimaprobleme dieser Welt haben nichts, was Ansichtssache wäre. Doch seltsamerweise sieht man in den Medien häufiger „Klimaskeptiker“ als fachkundige Wissenschaftler.

Das sich erwärmende Meerwasser erodiert die Eismassen und führt zum Abschmelzen der Pole, was zur Katastrophe führt. Foto: W. Bulach / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Diskussion um den Klimawandel hat ungefähr die Qualität der amerikanischen Diskussion „Darwinismus vs. Göttliche Schöpfung“. In den USA hat man in vielen Staaten diese Frage sehr einfach gelöst – man hat den Darwinismus aus den Schulbüchern und dem Unterricht verbannt und offiziell dekretiert, dass die Schöpfung der Welt einzig und alleine der göttlichen Vorsehung zu verdanken sei. Im Kampf „Glaube gegen Wissenschaft“ zieht die Wissenschaft seit den Tagen eines Galileo Galilei immer wieder den Kürzeren. Auch in der Frage des Klimawandels?

Es geht überhaupt nicht um die Person von Greta Thunberg. An ihr arbeiten sich gerade diejenigen ab, die den Klimawandel für Quatsch halten, obwohl man diesen ja inzwischen mehr als deutlich am eigenen Leib spürt. Die Einstellung „das ist gottgewollt und hat es immer schon gegeben“ ist von der Wissenschaft widerlegt – wir wissen, dass seit mehr als 30 Jahren die Umweltvergiftung durch den Menschen einen Prozess ausgelöst hat, der diesen Planeten massiv gefährdet und der nichts, aber auch gar nichts Gottgegebenes hat. Natürlich hat sich das Klima immer wieder verändert, doch wurde nachgewiesen, dass in den letzten Jahrtausenden Klimaphänomene immer auch von ihren Gegenteilen begleitet wurden: Wurde es in der einen Region bitterkalt, wurde es anderswo richtig heiß und umgekehrt, was zu einer Art Gleichgewicht selbst in Zeiten starker Klimaphänomene geführt hat. Seit rund 30 Jahren hat sich das verändert und Klimaphänomene, wie beispielsweise die aktuellen Hitzewellen, finden gleichzeitig in 98% der Weltregionen statt. Der Grund dafür ist einfach – die von Menschen in die Atmosphäre gepusteten Emissionen haben sich wie eine Hülle um den Planeten gelegt und schaffen tatsächlich eine in sich abgeschlossene Klimazone, die sich immer weiter aufheizt.

Das alles hat mit „Glauben“ nichts zu tun. Überhaupt, in einer Welt, in der sich Hunderte, wenn nicht gar Tausende Religionen und Glaubensgemeinschaften gegenseitig Konkurrenz in der Frage machen, wer denn nun den einzig wahren und universell gültigen Glauben vertritt, ist es auch schwierig, die wissenschaftliche Frage an einer Gottheit festzumachen.

Der Klimawandel ist die direkte Folge der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur und der natürlichen Ressourcen durch den Menschen, der sich hierfür das Gesellschaftssystem des Kapitalismus hat einfallen lassen. Die Rechnung ist einfach – die Vergiftung des Planeten schadet 99,9 % der Bewohner dieses Planeten und nutzt den finanziellen Interessen von 0,1 % der Menschheit. Wenn man bedenkt, dass die aktuelle politische Diskussion unter anderem darum geht, Umweltverschmutzer finanziell zu belasten, wobei man ihnen die Möglichkeit gibt, „Zertifikate“ an speziellen Börsen zu erstehen, die es erlauben, noch mehr Umweltgifte zu verbreiten, wenn man dafür bezahlt, dann sieht man, wie sich dieses System inzwischen selbst pervertiert hat.

Die Zerstörung unseres Planeten ist keine Glaubensfrage, sondern eine Tatsache. Insofern ist bereits der Begriff „Klimaskeptiker“ ein Witz – zu Zeiten Galileos gab es auch jede Menge „Die-Erde-ist-rund-Skeptiker“ und die Tatsache, dass es sich dabei um honorige Vertreter des Klerus handelte, machte deren „Gewissheit“, dass die Erde eine Scheibe sei, auch nicht richtiger.

Die Diskussion zwischen „Klimaskeptikern“ und Umweltschützern zeigt vor allem eines auf – wir brauchen dringend neue Politik- und Gesellschaftsmodelle, die besser die Realitäten dieses Planeten in seiner aktuellen Zeit reflektieren. Im „Zeitalter des Wissens“, in dem dank der Technologischen Revolution das gesamte Wissen der Menschheit mit wenigen Klicks zur Verfügung steht, ist kein Platz mehr für Ideologien. Dafür gibt es immer mehr objektiv „richtige“ und „falsche“ Entscheidungen. Damit die Fakten Einzug in die politischen Entscheidungen halten können, brauchen wir politische Entscheidungsstrukturen, in denen die Wissenschaft ein gewichtiges, wenn nicht gar das letzte Wort haben muss.

Angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der dieser Klimawandel stattfindet, ist die Haltung „Ich kann das alles nicht mehr hören“ grundlegend falsch und verantwortungslos. Genau gegen diese Haltung demonstrieren die von so vielen schlauen Erwachsenen kritisierten Kids weltweit an den Freitagen. Genau gegen diese Haltung kämpft eine 16jährige Schwedin, die von den Wissenschaftlern der Welt unterstützt, aber vom Stammtisch dieser Welt verteufelt wird.

Die aktuellen Politik- und Gesellschaftssysteme haben ausgedient. Mögen sie in der Zeit vor der Technologischen Revolution noch ihre Daseinsberechtigung gehabt haben, so haben sie diese heute nicht mehr. Die Welt hat nicht mehr viel Zeit, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. Wenn nicht sofort gehandelt wird, ist es zu spät. Und wer angesichts des dramatischen Anstiegs der Temperaturen, dem rasenden Abschmelzen der Pole, dem galoppierenden Aussterben von Tier- und Pflanzenarten immer noch „glaubt“, dass das alles so seine Richtigkeit habe und dass man auf keinen Fall aktiv werden muss, der gehört zu denjenigen, die im Mittelalter einen Galileo zum Tode verurteilt hätten. Denn sie glaubten ja ganz fest daran, dass die Erde eine Scheibe sei und wer das in Frage stellte, war ein Ketzer. Es wäre an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu schauen und das kann man am besten, wenn man den Wissenschaftlern zuhört. Statt weiter daran zu glauben, dass alles schon seine Richtigkeit habe.

2 Kommentare zu Ideologie vs. Wissenschaft

  1. Und welchen konkreten Maßnahmenkatalog schlagen Sie vor?

    • Eurojournalist(e) // 20. August 2019 um 13:04 // Antworten

      Die wohl wichtigste Massnahme wäre, dass die Politik die Wissenschaft in die Entscheidungsfindung einbindet, was bislang praktisch nicht der Fall ist. Das ist übrigens genau das, was Greta Thunberg fordert, wenn sie sagt: “Wir sind nur Kinder. Sie müssen nicht auf uns hören. Aber hören Sie auf die Wissenschaftler!”.

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