Ihr da oben, wir hier unten…

Die Proteste gegen die geplante Rentenreform ebben nicht ab. Und aus Sozialprotesten wird immer mehr ein Klassenkampf. Präsident Macron juckt das allerdings nicht.

Massenproteste und Streiks gehen weiter - und die Regierung ist völlig überfordert. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Es gibt in Frankreich einen Menschen, der erfolgreich verhindert, dass sich die Sozialproteste der Franzosen abschwächen. Der Mann ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der es bei seinen wenigen Kommunikationen mit den Franzosen immer wieder schafft, diese derartig zu geringschätzen und zu beleidigen, dass die Stimmung immer aufgeladener wird. Allerdings traut sich der Präsident schon gar nicht mehr, sich direkt den Franzosen zu stellen, stattdessen betreibt er, wie damals Donald Trump, Politik in den Sozialen Netzwerken. Der Mann und seine politische „Bewegung“, die Macronie, haben ausgedient, sind bei den Franzosen inzwischen verhasster als die Rechtsextremen und führen das Land so schlecht wie noch keine andere Regierung in Frankreichs V. Republik. Dementsprechend bleibt die Mobilisierung der Franzosen sehr hoch, auch am Samstag bei der 7. Großdemonstration seit dem 19. Januar.

Die gemeinsam agierenden acht großen Gewerkschaften hatten Emmanuel Macron schriftlich ein Gesprächsangebot unterbreitet, dass der Präsident mit einem geradezu grotesken Schreiben in den Wind schlug. Dass er dabei in einem Brief, in dem er den Dialog verweigert, schrieb, dass seine Regierung immer für den Dialog offen sei, ist eine erneute Beleidigung der Franzosen, die, anders als die Regierung, Lösungen suchen, während Macron und seine Erfüllungsgehilfen lediglich ihre kranken Machtphantasien ausleben wollen.

Die Diskussionen im Senat wurden von der Regierung mithilfe der Paragraphen 44.2 und 44.3 der Verfassung eingeschränkt, und wenn der Vermittlungsausschuss zwischen Parlament und Senat getagt haben wird und Macron keine Mehrheit in der abschließenden Abstimmung erhält, wird das Gesetz eben dank eines weiteren, höchst undemokratischen Paragraphen, dem 49.3, eben ohne Zustimmung des Parlaments in Kraft gesetzt. Kein Wunder, dass die Franzosen angesichts dieser Demokratiedefizite in der Regierung weiterhin massenweise auf die Straße gehen und streiken.

Wie viele Menschen am Samstag in Frankreich demonstriert haben, ist inzwischen zweitrangig. Überall in Frankreich, nicht nur in den Städten, sind die Menschen mobilisiert und haben das Gefühl, Frankreich und die französische Demokratie gegen diese Regierung verteidigen zu müssen. Wichtiger als die Zahl der Demonstranten auf der Straße ist die riesige Zustimmung der Franzosen mit diesen Sozialprotesten – rund drei Viertel der Franzosen stehen laut Umfragen dieser Sozialbewegung positiv gegenüber und sind auch bereit, die mit den Demonstrationen und Streiks verbundenen Einschränkungen zu akzeptieren. Denn inzwischen lautet die Losung „Wir hier unten gegen euch da oben“.

Frankreich braucht dringend eine Verfassungsreform, denn die V. Republik ermöglicht Menschen wie Emmanuel Macron, wie ein Monarch über sein Volk zu herrschen und das sind anachronistische Methoden, die man ansonsten eher aus China, Russland oder Nordkorea kennt. Mit Demokratie hat das alles nicht mehr viel zu tun und Macron wird der Hauptgrund sein, warum das Land 2027 in die Hände der Rechtsextremen fallen wird.

Dabei hat diese Regierung eine konkrete Option, die sie ziehen könnte – es würde reichen, wenn sie diese Reform zurückzieht, dann zurücktritt und Neuwahlen erzwingt. Angesichts des Umstands, dass die Macronie ausgedient hat, wäre dies ein Neuanfang und sicherlich eine bessere Lösung, als noch bis 2027 zuzuschauen, wie diese Regierung das Land spaltet und an die Wand fährt. Bis es so weit ist, muss man in den plüschigen Salons der Macht in Paris darauf vorbereitet sein, dass die Proteste nicht abebben und sich immer weiter verschärfen. Die Schuld daran trägt alleine der selbstherrliche Präsident mit seinen Adlaten, von denen offenbar keiner den Mut hat, dem Präsidenten ehrlich zu sagen, wie es im Land aussieht. Aber darauf wird man wohl lange warten müssen.

2 Kommentare zu Ihr da oben, wir hier unten…

  1. Herr Littmann,
    Macron auf einer Ebene mit China, Russland und Nordkorea… Ist das Ihr Ernst? Das hat mit verantwortungsvoller politischer Auseinandersetzung und seriösem Journalismus nichts mehr zu tun. Gönnen Sie sich doch ein Paar Tage für z.B. eine kritische Berichterstattung vor Ort aus Nordkorea. Bin gespannt was dabei herauskommt.

    • Herr Linder, wenn ein Präsident per Verfassungskniffen eine Rentenreform durchsetzt, die von 93 % der Arbeitnehmern und drei Vierteln der Gesamtbevölkerung abgelehnt wird, er sich nicht traut, mit den “Sozialpartnern” hierüber in einen Dialog zu treten, wie nennen Sie denn das? Demokratie? Nur, weil es anderswo noch übler zugeht, ist das lange kein Grund, undemokratischen Handlungsweisen bei uns Beifall zu klatschen. Undemokratisches Vorgehen und die Missachtung des eigenen Volks werden nicht dadurch besser, dass sie hier stattfinden.

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