Im Kleinen wie im Großen

Der zweite Teil des „Grand Débat National“ in Straßburg zum Thema der Demokratie und der Bürgerschaft zeigte, wie schwierig und wichtig Demokratie ist.

Nach insgesamt mehr als 8 Stunden Debatten reicht Strassburg viele Vorschläge nach Paris ein. Foto: marc Chaudeur / Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Mehr als 8 Stunden Debatten an zwei Abenden, das war der „Grand Débat National“ zum Thema „Demokratie und Bürgerschaft“ im Ratssaal des Centre Administratif in Straßburg. Der zweite Teil fand am Freitag statt und die Debatten waren nicht weniger intensiv als beim ersten Teil Anfang Februar. An den Plätzen sitzend, an denen normalerweise der Straßburger Stadtrat und der Rat der Eurometropole Straßburg tagen, sahen sich nun die Bürgerinnen und Bürger vor der Frage, wie sie sich zukünftig Frankreich vorstellen. Ziel dieser landesweit bis Mitte März stattfindenden Debatten ist es, der Regierung Vorschläge zu unterbreiten, damit diese daraus konkrete Handlungsstränge und Prioritätsfelder für anstehende Reformen entwickelt. So weit die Theorie. Die Praxis ist Demokratie dann doch etwas schwieriger, im Kleinen ebenso wie im Großen.

Vorweg gesagt – die Straßburgerinnen und Straßburger entwickelten zahlreiche Vorschläge, die nun nach Paris weitergereicht werden. Es fehlt keineswegs an engagierten Bürgerinnen und Bürgern, es fehlt keineswegs an guten Ideen. Nur – bis auf einen war praktisch keiner der vielen Vorschläge selbst in einer Bürgerversammlung ohne parteipolitische Prägung mehrheitsfähig. Doch das war letztlich nicht ausschlaggebend, da alle Vorschläge nach Paris geleitet werden.

Allerdings wurde auch klar, wie schwierig demokratische Reformen sind. Ein gutes Beispiel dafür war die Debatte um die Berücksichtigung leerer Stimmzettel bei Wahlen. In Frankreich, wo Wahlen in zwei Wahlgängen ausgetragen werden (es sei denn, einer der Kandidaten kommt bereits im ersten Wahlgang über die 50 %), ist dies eine wichtige Frage. Grundsätzlich ist man sich überwiegend einig, dass wenn es mehr leere Stimmzettel als Stimmen für die Kandidaten im ersten Wahlgang gibt, diese für einen zweiten Wahlgang ausgetauscht werden sollen. Aber dann? Soll das so lange wiederholt werden, bis irgendwann ein Kandidat oder eine Kandidatin eine Mehrheit hat? Oder sollte man nicht doch lieber gleich das Proportionalwahlrecht fordern, da dieses auch die Entwicklung kleiner Parteien ermöglicht? Schwierig, schwierig…

Die Transparenz der Abgeordneten auf allen Ebenen gehört ebenfalls zu den Forderungen. Doch gibt es bereits unterschiedliche Meinungen zur Frage, ob die Abgeordneten mehr in Paris sein sollten, um dort die Interessen ihres Wahlkreises zu vertreten oder ob sie mehr im Wahlkreis sein sollten, um vor Ort mitzubekommen, was Sache ist. Die Mandatshäufung möchte man mehrheitlich abschaffen, aber ob die Forderung nach der Deckelung der Diäten der Abgeordneten auf 6000 € durchkommt, ist zweifelhaft. Würde man alle Vorschläge zur Überwachung und den Pflichten der Abgeordneten umsetzen, dürfte kaum noch jemand bereit sein zu kandidieren. Aber ob dann die ebenfalls vorgeschlagene Besetzung von Abgeordnetensitzen durch das Losverfahren am Ende wirklich zu einer besseren Politik führt?

Soll man den Senat, die zweite gesetzgebende Kammer Frankreichs abschaffen, verkleinern, durch eine allgemeine Wahl statt wie bisher durch Wahlmänner wählen lassen? Ja, ändern sollte sich schon etwas, das spürt man in der Debatte, aber was genau?

Einig waren sich allerdings alle zur Frage einer Erziehung zu Demokratie und Bürgerbewusstsein. Vom Kindergarten über die Schule, Ausbildung und Universität bis hin zur Erwachsenenbildung – die Werte der Demokratie und eines Bewusstseins der Rechte und Pflichten und Möglichkeiten der Gesellschaft muss permanent vermittelt werden.

Dass aus Straßburg viele verschiedene, ja teilweise sich widersprechende Vorschläge eingereicht werden, ist ein gutes Zeichen für die Meinungsvielfalt und damit für eine lebendige Demokratie. Dass viele Bürgerinnen und Bürger an dieser nicht immer einfachen Marathon-Diskussion teilgenommen haben zeigt, dass sich die Menschen für das Gemeinwohl interessieren und bereit sind, sich zu engagieren. Es ist wirklich zu hoffen, dass man in Paris wahrnimmt, dass die französische Gesellschaft bereits ist, an Reformen mitzuwirken. Der richtige Zeitpunkt, diese Reformen anzugehen, ist – jetzt.

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