Im Wahlkampf entdecken alle Europa neu…

Europa ist eigentlich das Sorgenkind aller europäischen Regierungen. Aber in Wahlkampfzeiten macht es sich gut, Europa zu thematisieren. Mit Vorschlägen, die nichts kosten…

"Europa" sollte mehr als nur ein Wahlkampfthema sein... Foto: pixabay free images / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Oh ja, da ist sie wieder, die Idee einer europäischen Armee. Armin Laschet, der Kandidat der CDU/CSU ist ganz begeistert von der Vorstellung. Und dazu möchte er auch gleich ein „europäisches FBI“ einrichten. Das klingt wunderbar, zumal Laschet selbst im Falle eines Wahlsiegs nichts davon umsetzen müsste. Und da unter den 27 verbliebenen EU-Mitgliedsstaaten mit Sicherheit ein paar dabei sind, die eine solche europäische Armee oder ein „europäisches FBI“ gar nicht wollen, ist das ein Super-Thema im Wahlkampf. Bei Olaf Scholz klingt es nicht viel anders – er regt an, sich vom elenden Einstimmigkeitsprinzip der EU zu verabschieden. Eine wirklich gute Idee. Nicht ganz neu, noch nie angegangen, und Umsetzbarkeit – siehe europäische Armee. Aber als Wahlkampfthema 1a.

Wenn mal etwas gut läuft in Europa, behauptet jede Regierung, dass dies nur ihr zu verdanken sein. Läuft etwas falsch, dann trägt Europa die Schuld. Aber immerhin, angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der Deutschen eine positive Sicht auf das Konzept Europa (trotz aller Unzulänglichkeiten) hat, eignet sich Europa wenigstens als Wahlkampfthema.

Doch die EU ist in einem deutlich schlechteren Zustand, als sie das selbst glaubt. Statt sich endlich an die überfälligen Reformen der Institutionen zu machen, die sich seit Jahrzehnten selbst und gegenseitig lähmen, übt sich das europäische Spitzenpersonal in Realitätsverweigerung. Bestes Beispiel ist die Rede der Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen diese Woche vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, eine Rede, die sprachlos machte.

Aber Europa und die Europäische Union verdienen besseres als solche Friede-Freude-Eierkuchen-Reden wie die von Ursula von der Leyen. Wie man sich vor die Europaabgeordneten stellen und behaupten kann, die EU hätte die Covid-Krise hervorragend gemeistert, prächtig im Griff und so gut gemanagt, dass man noch die halbe Welt mit Impfdosen versorgen kann, das ist schon ein starkes Stück. Hat es ein europäisches Krisenmanagement gegeben? Nein. Hat die EU sich dafür eingesetzt, dass die Impfstoff-Patente freigegeben und weltweit verfügbar gemacht werden? Nein. Wurde „Gesundheit“ zur europäischen Sache gemacht? Nein. Wurden innerhalb der EU die Maßnahmen harmonisiert? Nein. Wurde überhaupt darüber gesprochen? Nein. Was sollte dann diese Rede im Straßburger Parlament?

Aber zurück zum Thema Europa und der Bundestags-Wahlkampf. Keiner der Spitzenkandidaten hat einen echten europäischen Hintergrund. Am ehesten noch Olaf Scholz, der vor Jahren mal Generalbevollmächtigter für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen war. Gut, Armin Laschet hat auch schon als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen mit seinen Kollegen in Belgien und Holland gesprochen. Bei Annalena Baerbock herrscht zum Thema Europa eher Flaute. Und dass der französische Präsident Emmanuel Macron sowohl Scholz als auch Laschet zum Kaffeetrinken im Elysee-Palast empfangen hat, das macht noch keine echten Europäer.

Es wäre schön, würden sich die Kandidaten das Thema „Europa“ ernsthaft auf die Fahne schreiben. Denn Europa ist viel zu wichtig, um es nur alle paar Jahre mal in Wahlkampfzeiten aus der Schublade zu holen, um es gleich wieder in dieser verschwinden zu lassen. Dass praktisch alle Spitzenkandidaten zum Thema „Europa“ nicht so richtig viel zu präsentieren haben, stimmt nachdenklich. Aber wer weiß, vielleicht hängt sich ja der Gewinner oder die Gewinnerin dieser Wahl doch noch richtig ins europäische Zeug…

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