In Mitteleuropa einmal übers Mittelmeer – „Giuditta“ in der Rheinoper

Mit Franz Lehár gehen wir eigentlich feuchtfröhlich ins Maxim in Paris, wo die lustigen Witwen wüten, doch in seiner letzten Operette, die eine Oper ist und uns bis nach Libyen führt, wird es kein Happyend geben. Nach Verdis Violetta soll uns Giuditta in der Rheinoper zu Tränen rühren.

Franz, František oder doch Ferenc? Der Geige wird es egal sein, ob derjenige, der sie fiedelt, sich als Österreicher, Mähre oder Ungar versteht. Hauptsache, er trifft den Ton, und das hat der Komponist von unzähligen Operetten - und einer Oper, die nun in Straßburg auf Französisch zu hören und zu sehen sein wird. Foto: Charles Scolik - ÖNB Bildarchiv

(Michael Magercord) – Auf die Betonung kommt es an: Heißt der Franz Frantisek Ferenc nun Lehar, Léhar oder Lehár? Je nachdem, woher wir ihn kommen lassen möchten, aus Österreich, Mähren oder Ungarn. Unser Komponist ist ein typisches Geschöpf Habsburgs, dieses Vielvölkerreichs, das nach dem Ersten Weltkrieg an seinen eigenen Widersprüchen in einheitliche Volksstaaten zerfiel. Ob das schließlich ein Segen war, darüber scheiden sich bis heute die Geister von Historiken und Theoretikern von Staatenbünden.

In Mähren wurde Léhar geboren, in Wien hatte Lehar seine Erfolge gefeiert, durch seine Mutter aber war Lehár Ungarn besonders zugetan, weshalb er den Aufstrich in seinem Nachnamen ganz magyarisch auf die letzte Silbe setzte. Und vielleicht ist es der durch und durch mitteleuropäischen Vielfalt seiner Heimat zu verdanken, dass er im Kaiserreich der König der leichten Melodien werden konnte. Schon als Kind musikalisch hochbegabt, konnten seine eingängigen Lieder, in denen die einfache Lebensfreude unter komplizierten Verhältnissen gefeiert wurde, dazu dienen, den brodelnden Vulkan, auf dem der Walzer getanzt wird, nicht sichtbar werden zu lassen.

Franz Lehár war der unumstrittene Operettenmeister seiner Zeit. Und sein Erfolg blieb nicht auf Mitteleuropa beschränkt. „Die lustigen Witwen“ erfuhren in der Lebenszeit ihres Komponisten – Lehár verstarb 1948 – allein 300.000 Inszenierungen weltweit. Im Dritten Reich schützten dann ausgerechnet die illustre männerverschleißende Pariser Damengemeinschaft aus der Feder eines jüdischen Librettisten den Komponisten und seine jüdische Frau. „Die lustigen Witwen“ war Hitlers Lieblingsoperette. Der Preis für die Verschonung war allerdings das Mitmachen an der Propaganda der leichten Muse.

Lehár wusste wohl schon von Anfang an, worauf man sich einlässt, wenn man eher die leichten Sujets bedient. Dass er seinem Handwerk der heilen Unterhaltung in vollem Bewusstsein nachging, zeigte sich daran, dass er – kaum berühmt – für die kleine Kabarettbühne eine Parodie auf sein eigenes Werk verfasste, worin er sich über das Prinzip des Happy-Endings lustig macht. Das änderte nichts an dem Erfolg seiner leichteren Muse. Und trotzdem wollte er es im fortgeschrittenen Alter noch einmal wissen: 1934 unternahm er den Versuch, Operette und große Oper zu vereinen, herausgekommen ist die „Musikalische Komödie Giuditta“, die kein Happyend mehr kennt.

Es ist die Geschichte einer Lebefrau, die frei wie ein Vogel bleiben will. Für die Tänzerin und Sängerin eines Kabaretts auf Sizilien entflammt so manches Männerherz, das sie am liebsten in einen Käfig sperren möchte. Das klappt natürlich nicht, bis ihr eigenes Herz entflammt, ausgerechnet für einen französischen Offizier, der alsbald nach Nordafrika versetzt wird. Was tun? Soll er desertieren, um bei Giuditta bleiben zu können? Oder soll sie ihm folgen? Gehorsamkeit ist die Option, die gewählt wird. Allerdings wird sie sich als unglückliche herausstellen. Beide finden sich in Libyen wieder, wo ihr tragisches Schicksal seinen Lauf nimmt…

Aber mehr wird hier nicht preisgegeben, deshalb nur soviel: Ohrwürmer gibt es trotzdem reichlich mit so herzerweichenden Titeln wie: „Meine Lippen, sie küssen so heiß“. Oder etwas allgemeiner gefasst: „Freunde, das Leben ist lebenswert“. Das waren seinerzeit Riesenhits. Dem Komponisten bescherte seine „Giuditta“ den Aufstieg in den Musikeradel, denn zum ersten Mal wurde eines seiner Werke in der altehrwürdigen Wiener Staatsoper uraufgeführt, wobei hundertzwanzig Rundfunksender weltweit die Premiere übertrugen.

Apropos ehrwürdige Oper: Auch in Straßburg gibt es ein altehrwürdiges Opernhaus. Seit 1821 steht es am Place Broglie. Alle Stürme der wechselvollen Geschichte hat es überstanden. Selbst, nachdem 1870 die Preußen kamen und der französische Prachtbau bombardiert wurde, wird es originalgetreu wieder aufgebaut.

Nun aber steht eine umfassende Renovierung an, und dieses Mal wird es wohl ans Eingemachte gehen. Sprich, hinter der denkmalgeschützten Fassade muss alles raus, inklusive Plüsch und Putten. Noch ist nicht komplett entschieden, was schließlich kommen wird, aber die hochfliegenden Pläne der politisch Verantwortlichen lassen – wie bei Großprojekten üblich – kaum Sensibilität für das Bestehende erwarten.

Für Liebhaber ehrwürdiger Opernhäuser gibt es einen kleinen Trost: Der Baubeginn hat sich gegenüber der bisherigen Planung um zwei Spielzeiten in das Jahr 2028 verschoben. Die Bauzeit wurde allerdings auch gleich um weitere zwei Jahre verlängert, das heißt, die Wiedereröffnung steht im Anno Domini 2033 an, sofern dem Musengott nicht noch eine durchaus übliche Projektverlängerung dazwischen kommt. Fragt sich bloß, ob das dann für Opernfreunde auch ein Happyend werden wird.

Giuditta
Operette in fünf Bildern von Franz Lehár aus dem Jahr 1934

Neuproduktion der OnR in Kooperation mit der Oper Lyon

Dirigent: Thomas Rössler
Regie: Pierre-Andre Weitz
Musik: Symphonieorchester Mülhausen OSM und Opernchor Straßburg

Opéra Straßburg

SO 11. Mai, 17 Uhr
DI 13. Mai, 20 Uhr
DO 15. Mai, 20 Uhr
SO 18. Mai, 15 Uhr
DI 20. Mai, 20 Uhr

La Filature – Mülhausen

SO 1. Juni, 17 Uhr
DI 3. Juni, 20 Uhr

Tickets und Information gibt es hier!

Das Festival Arsmondo Mittelmeer, in dessen Rahmen auch diese Oper aufgeführt wird, läuft noch bis 20. Mai. In Lesungen, Ausstellungen, Konzerten und auch dieser Oper wird der Frage nachgespürt, welchen Einfluss die Vorstellung der Nordeuropäer über die Kulturen des Mittelmeerraums auf ihre eigene Kultur hat.

Das Programm findet sich HIER!

Weitere Veranstaltung der Rheinoper:

Brundibár – tschechische Kinderoper von Hans Krása aus dem Ghetto Theresienstadt von 1942

Heimlich im Ghetto komponiert, und dann doch missbraucht für den Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“. Es sollte ein Märchen werden, das den Kindern die Hoffnung vermittelt, dass das Unrecht und das Böse nicht ewig währen, sofern man sich gemeinsam dagegen stemmt. Geworden ist es eine zauberhafte Kinderoper, die es noch heute lohnt, ernst genommen zu werden. Der Mordwut der Nazis konnten weder der Komponist und sein Librettist, noch die meisten der ersten Zuschauer entkommen. Ihr Lebenswillen aber bleibt ihr ewiges Vermächtnis. Und keine Angst um die Kinderseelen: Musik und Geschichte sorgen dafür, dass ihnen diese Botschaft ohne Grausamkeiten vermittelt wird.

Aufführung auf Französisch, empfohlen für Kinder ab 6 Jahren

Straßburg am 10., 11. und 14. Mai im Theater Hautepierre,
Colmar am 24. und 25. Mai im Stadttheater
Mülhausen am 4. und 5. Juni in La Filature

Tickets und Information gibt’s HIER

Weitere „ernste“ Kultur in Straßburg:

Konzert der Straßburger Philharmonie OPS

2. Symphonie von Gustav Mahler

PMC, DO 22. und FR 23. Mai, 20 Uhr

Infos und Tickets gibt’s hier

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