In the face (1)

Das war „Akt I“ im neuen Shakespeare-Drama „Let me go, please let me go“ mit Theresa May in der Hauptrolle. Nach der Abstimmungsklatsche im Unterhaus geht’s heute schon weiter...

Theresa May hat völlig den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Langsam wird es bedenklich. Foto: ScS EJ

(KL) – 391:242, das Abstimmungsergebnis war gestern Abend deutlich. Zum angeblich so nachgebesserten Vertragsentwurf, den die britische Regierungschefin Theresa May schon einmal um die Ohren geschlagen bekommen hat, stimmten rund 70 Abgeordnete aus ihrer wackeligen Regierungskoalition gegen May, deren Pläne nur noch von 242 ihrer Parteifreunde im Unterhaus mitgetragen werden. Heute Abend wird dann über den „Hard Brexit“ abgestimmt, zu dem das Ergebnis noch deutlicher ausfallen dürfte. Und wenn dies tatsächlich eintritt, wird am nächsten Tag über die Bitte um eine Fristverlängerung abgestimmt, von der niemand weiß, was während einer solchen verlängerten Frist eigentlich passieren soll, was nicht in den letzten zweieinhalb Jahren hätte passieren können. Und dann?

Es ist schon unglaublich, wie viel Theresa May einstecken kann. Sie verliert Abstimmung nach Abstimmung, ist nur noch deshalb Regierungschefin, da ihre Tories berechtigterweise Angst vor Neuwahlen haben, ihre Ansprachen im Unterhaus tragen mittlerweile fast pathologische Züge und das Drama geht weiter. Dabei ist May inzwischen schon fast schmerzfrei. Die Regierungschefin, die theoretisch mindestens über eine Mehrheit im Parlament verfügen sollte, wird Mal ums Mal von ihrer eigenen Koalition desavouiert und schwadroniert munter weiter, als wäre nichts gewesen.

Bezeichnend war gestern Abend Theresa Mays Reaktion unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Sie sprang auf, sprach hektisch, beklagte sich, dass die britische Demokratie gefährdet sei, malte gar das Schreckgespenst eines zweiten Referendums an die Wand und machte mit jedem ihrer Sätze deutlich, dass sie mit dem Begriff „Demokratie“ nicht viel anfangen kann. Ist es bei einer derart die britische und europäische Zukunft belastenden Entscheidung wirklich demokratisch, einer Mehrheit der Briten ihre persönliche Brexit-Vision aufzuzwingen und alles daran zu setzen, dass diese britische Mehrheit nicht ihre Meinung zu dieser Entscheidung sagen darf?

Und Jeremy Corbyn? Der „Catwheezle der britischen Politik“ brachte sofort das einzige Thema ins Spiel, das ihn wirklich interessiert. Nicht etwa die Zukunft Großbritanniens oder die Sorge um die britische Demokratie, sondern Neuwahlen. Ausgerechnet Neuwahlen. Klar, Corbyn hofft darauf, dass er angesichts des Zustandes von Theresa May Neuwahlen gewinnen und endlich Kalif anstelle der Kalifin werden kann – doch Konzepte, wie mit der Brexit-Krise umzugehen wäre, hat er auch nicht. Eine Vorstellung, in welchem Zeitpunkt solche Neuwahlen überhaupt logistisch möglich wären und die Tatsache, dass im Mai eine Europawahl stattfindet, nach der im Juli das neue Parlament zusammentritt, sind Dinge, die Jeremy Corbyn nicht sonderlich interessieren. Er will Neuwahlen. Dass bis dahin eine Lösung für diesen Brexit-Albtraum gefunden werden muss, ist auch nicht so sein Thema. Er will Neuwahlen. Es ist zum Haareraufen.

Wenn es so weitergeht, wird Theresa May einen harten und vertragslosen Brexit aufs Parkett legen. Sie ist dabei, das Vereinigte Königreich ins Unglück zu stürzen und auch Europa nachhaltig zu schaden. Nach Maggie Thatcher und Theresa May muss man nun feststellen, dass die im Monat März oft gehörte Gleichung „Mehr Frauen an der Macht = bessere Welt“ zumindest für Großbritannien nicht zutrifft…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste