Industrieller Winterzauber

Der Zuckerguss in der Straßburger Orangerie sieht zwar sehr hübsch aus, hat allerdings mit „Winter“ nur indirekt zu tun. Aber man gibt sich ja schon mit wenig zufrieden...

Industrieschnee in Straßburg. Auch an diese neue "Winterromantik" werden wir uns gewöhnen... Foto: © Michael Magercord

(KL) – Die Älteren werden sich erinnern – vor Pandemie und Klimawandel gab es etwas, das sich „Jahreszeiten“ nannte. Dieses musikalisch exquisit von Vivaldi umgesetzte Wetterphänomen teilte das Jahr in vier Teil auf: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Letzterer zeichnete sich durch Kälte, Frost und – Schneefall aus. Schnee, das ist gefrorener Regen, der flöckenweise auf die Erde rieselt, so, wie man es immer noch auf den Höhenlagen von Schwarzwald und Vogesen sehen kann. Gestern nun gab es etwas Schnee bis in die Niederungen. Allerdings war dieser Schnee im Vergleich zu „echtem“ Schnee das, was Zichorien-Kaffee-Ersatz im Vergleich zu einem doppelten italienischen Espresso ist…

Heutzutage muss man sich schon darüber freuen, wenn eine Fabrik im Rheinviertel Microabfälle in die Luft bläst, die sich dort in der kalten Luft anreichern und als Industrieschnee herabrieseln. Mit „richtig Schnee“ hat das nicht viel zu tun. Und plötzlich denkt man diese herrlichen Winter, in denen wochenlang anderthalb Meter Schnee lagen, die Sonne darüber schien und man „Winteraktivitäten“ nachging, wie Rodeln, Schneemänner bauen und ähnliche Dinge.

Aber diese Zeiten sind schon lange vorbei. Unabhängig von der Pandemie, die den Tourismus ohnehin erst einmal ins Abseits gedrängt hat, müssen sich heute viele frühere Windersportorte in den Mittelgebirgen umstellen und versuchen, neue touristische Argumente zu finden. In unserer Region sind das dann meistens Wandern, Mountainbiken und Essen und Trinken in den hervorragenden Gastronomien des Oberrheins.

Wie kann es nur sein, dass es immer noch Menschen gibt, die den Klimawandel leugnen und die Augen davor verschließen, dass wir diesen Planeten gerade unwiederbringlich an die Wand fahren? Der Industrieschnee in Straßburg ist nur eines von vielen ungewöhnlichen Wetterphänomenen, die alle darauf hinweisen, dass eine Deregulierung stattfindet. Tornados in der Pfalz, Hitzerekorde in Sibirien, Überflutungen in vielen Ländern, Dürreperioden – meteorologisch ist kaum noch etwas wie vorher.

Sang früher einmal ein holländischer Entertainer „Wann wird es endlich wieder Sommer“, heißt es heute „Wann wird es endlich wieder Winter?“. Vielleicht gar nicht mehr. Gewöhnen wir uns also daran, auch dem Industrieschnee eine Art Winterromantik abzugewinnen…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste