Ins Netz gegangen: Festival Arsmondo

Jetzt ist es soweit: Das Straßburger Festival „Arsmondo“ hat begonnen – und zwar im Internet. Seit Sonntag sind die ersten Videos bei YouTube abrufbar: Lesungen, Musik, Filme. Bis zum 28. März folgen weitere Premieren und verbleiben dort bis zum 31. März.

Arsmondo 2021 findet eben digital statt. Aber es findet statt! Foto: Internetsite der Rheinoper Strasbourg

(Michael Magercord) – So weit, so gut: Am Samstagabend erfolgte tatsächlich die Welturaufführung einer kompletten Oper im altehrwürdigen Gebäude der Rheinoper zu Straßburg. Allerdings konnte die Öffentlichkeit nur im Radio dabei sein, und auf der Bühne – so jedenfalls die Schilderung der Moderatorin des Senders France Musique – hatte zusammen mit den Sängern das verstreut sitzende Orchester Platz genommen, während der Chor entfernt im Zuschauerraum saß. Doch die Mikrofone führten für den Hörer der Liveübertragung alles zusammen, und so wurde es also wahr: Die Oper „Haimon“ von Zad Moultakas nach einem Libretto von Paul Audi erklang erstmals auf den Brettern der Weltdeutungskammer.

Die Vertonung der Geschichte um den Prinzen, der zwischen der Pflicht gegenüber seinem Volk und jener gegenüber seines liebenden Herzens hin- und hergerissen ist, war eine Auftragsarbeit für „Arsmondo“. Seit vier Jahren schickt uns die Rheinoper mit diesem Festival in die weite Welt. Nach Japan, Argentinien und dem schon coronagebeulteten Ausflug nach Indien geht es nun in den Libanon. Und dort hat diese Geschichte aus der Antigone des Sophokles seine besondere Relevanz: In einer Welt in Auflösung ist ein Mann auf der Suche nach sich. „Die Macht und das Unglück durch sie vererbt sich in der griechischen Tragödie vom Vater auf den Sohn – und das ist sehr aktuell, besonders im Libanon“, sagt der franko-libanesische Komponist Zad Moulatka, „denn wollte man dort an der herrschenden Macht etwas verändern, muss sich zuerst der eigene Bezug zu Macht ändern“. Und der Librettist Paul Audi fügte am Samstag auf France Musique hinzu: „Dies scheint mir auch für das heutige Frankreich zu gelten“.

Nun ist es immer etwas eigenartig eine Oper zu hören, die man nicht sieht. Selbst die Musik hört sich anders an, wenn dazu die Inszenierung kommt – zumal bei einer Uraufführung die Abstimmung zwischen Musik und Bühne eigentlich immer besonders eng ist. So kann die radiophone Darbietung nur ein Vorgeschmack auf die tatsächliche Aufführung bieten. Aber immerhin vermittelte sie einen Eindruck vom zeitgenössischen, dichten sprechähnlichen Gesang und einer Instrumentierung, die durchaus beides in sich trägt: Orient und Okzident – und ebenso deren Gemeinsamkeiten bei der quälenden Suche nach einem Ausweg aus dem Dauerkonflikt der Absolutheitsansprüche von althergebrachten und modernen Gewissheiten und Überzeugungen: Verfügt die Macht letztlich nur über ihre Macht, weil auch die Beherrschten von ihrer Logik beherrscht sind?

In diesem Spannungsfeld wird es nun weitergehen, wenn in dieser Woche bei der digitalen Ausgabe des Festivals Arsmondo über vierzig sogenannte „Premieren“ von Lesungen, Filmen und natürlich auch Musik im Netz erfolgen werden, die bis einschließlich 1. März dann alle bei YouTube abrufbar bleiben. Vor allem die Dokumentationen versprechen ungewöhnliche Einblicke auf die Geschichte und den Alltag dieses kulturell so reichen und gleichsam von politischer Gewalt geprägten mediterranen Landstriches. Es ist wohl auch kein leichtes in einem so kleinen Gebiet mit schwieriger Nachbarschaft – von Beirut bis zur syrischen Grenze sind es gerade einmal fünfzig und zur israelischen sechzig Kilometer – einen multireligiösen Vielvölkerstaat in einem fragilen Gleichgewicht zu halten.

Ob aber genau in der Vielfalt die kulturelle Kraft liegt? Viele arabische Autoren und Musiker – Muslime wie Maroniten – mit internationaler Strahlkraft kommen von dort, Beirut galt bis zum Ausbruch des offenen Bürgerkrieges in 70er Jahren als Paris des Orients. Wer die – zugegeben – Verrücktheit besaß, den Libanon Anfang der 80er Jahren bereist zu haben, als die Milizen der lokalen Clanfürsten und religiösen Gruppierungen das Land und sogar die Städte in einen mit Kontrollposten übersäten Flickenteppich verwandelten, konnte in der damals geteilten Hauptstadt trotz alledem noch etwas von ihrer Modernität und Mondänität spüren.

Lohnend ist ein Ausflug in das wunderschöne Land der Zedern auf jeden Fall. Ob seine Kultur allerdings auch immer leicht zugänglich ist, muss ein Kulturreisender ohnedies für sich selbst entdecken. Dazu bieten nun erst einmal die Online-Angebote auf der Webseite der Rheinoper eine erste virtuelle Möglichkeit. Im Juni sollen dann noch einige Veranstaltungen des Festivals auf der Bühne und mit Zuschauern nachgeholt werden – zumindest, wenn bis dahin das Virus seine Macht über uns verloren hat.

ARSMONDO LIBANON vom 21. bis 28. März

Auf der Website der Rheinoper Straßburg findet sich das Programm von Arsmondo

Den YouTube-Channel der digitalen Version des Festivals finden Sie bis zum 31. März hier.

Die Oper “Haimon” ist beim Radiosender France Musique zu hören.

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