Ist das der Plan der Brüssel-Verfechter?

Fast hat man sich daran gewöhnt, dass die Sitzungen des Europäischen Parlaments in Brüssel stattfinden. Das sollte man aber nicht…

Der Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel? Bei dem schlechten Wetter?!? Foto: Steven Lek / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Schon ist die 7. aufeinanderfolgende Sitzungswoche des Europäischen Parlaments zu Ende gegangen. Wie seit Anfang des Jahres in Brüssel und nicht etwa in Straßburg. Und nun wird man in Europa aufpassen müssen, denn das, was 2021 passieren wird, könnte zu einem großen Problem für Straßburg werden. Die angekündigten „Kompensationen“ für die in Straßburg ausgefallenen Sitzungswochen könnten sich als Danaer-Geschenk erweisen.

Belgiens Hauptstadt Brüssel stöhnt gerade unter steigenden Covid-Infektionszahlen und immer schärferen sanitären Maßnahmen. Abgesehen davon, dass das Robert-Koch-Institut inzwischen ganz Belgien zur Risikozone erklärt hat, herrscht überall Maskenpflicht (auch im Freien) und zahlreiche weitere Vorschriften sind inzwischen in Kraft getreten. Warum in dieser Situation, in der Brüssel zu den virulentesten Infektionsherden zählt, die Sitzungen des Europäischen Parlaments vom deutlich weniger betroffenen Straßburg nach Brüssel verlagert werden müssen, das wissen wohl nur der Präsident des Europäischen Parlaments David-Maria Sassoli und die anderen Mitglieder der Parlamentsdirektion.

Klar, Sassoli hat Straßburg „Kompensationen“ für die ausgefallenen Sitzungswochen zugesagt, doch es könnte sein, dass sich diese „Kompensationen“ als vergiftete Geschenke herausstellen. Zur Erinnerung: Das Brüsseler Parlamentsgebäude ist bereits nach 20 Jahren baufällig und muss komplett renoviert werden. Hierfür gibt es einen vom deutschen Diplomaten Klaus Welle ausgearbeiteten Plan, nach dem diese Renovierung eine Milliarde Euro verschlingen soll. Vorstellbar wäre also folgendes Szenario: Anfang 2021 wird verkündet, dass alle Sitzungen des Parlaments im Jahr 2021 in Straßburg stattfinden werden, als Kompensation für die 2020 ausgefallenen Sitzungen. Und während man sich in Straßburg auf ein „europäisches Jahr“ freut, zündet man in Brüssel den Turbo für die Renovierungsarbeiten am dortigen Parlamentsgebäude.

Danach könnte es perfide werden. Wissend, dass eine Mehrheit der Europaabgeordneten für einen dauerhaften Umzug des Parlaments nach Brüssel wäre, könnte die Renovierung das fadenscheinige Argument hierfür liefern. Denn wenn das Parlament eine Milliarde Euro in diese Renovierung versenkt haben wird, könnte das Argument lauten, dass man diese Ausgaben nun auch amortisieren will und das ginge natürlich am besten dadurch, dass sich das Europäische Parlament dauerhaft in Brüssel im teuer renovierten Parlamentsgebäude niederlässt.

Dem „Welle-Plan“ sollte sofort Einhalt geboten werden. In Straßburg verfügt die Europäische Union über eine perfekte Infrastruktur, funktionsfähige und moderne Gebäude, ausreichende Wachstumskapazitäten, alle Gebäude sind bezahlt und sofort einsatzfähig. Wozu also eine Milliarde Euro aus dem Fenster werfen, um einen Parlamentssitz zu finanzieren, der in den Europäischen Verträgen und deren Anhängen gar nicht vorgesehen ist?

In Straßburg wird man sehr genau darauf achten müssen, was als nächstes passiert. Frankreichs Regierung muss endlich ein Machtwort zur Frage des Parlamentssitzes sprechen und hierbei muss die französische Regierung von den deutschen Kolleginnen und Kollegen unterstützt werden. Ja, der „Wanderzirkus“ zwischen Brüssel und Straßburg könnte beendet werden. Kommission und Europäischer Rat dürfen gerne in Brüssel bleiben, aber das Parlament gehört nach Straßburg. Sollten die Regierungen zu dieser Frage weiter untätig bleiben, dann darf man sich nicht wundern, wenn sich das „Europa der Lobbys“ in Brüssel am Ende gegen das „Europa der Demokratie“ in Straßburg durchsetzt. Verlieren werden dabei alle, auch diejenigen, die sich heute gegen Straßburg und für einen „Single Seat“ in Brüssel engagieren. Denn wenn die europäische Demokratie den Interessen der Lobbys geopfert wird, dann braucht man irgendwann auch die übrigen Institutionen nicht mehr, denn dann wird sich die EU langsam, aber sicher auflösen. Und das wäre eine Katastrophe für unseren Kontinent.

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