Ist Frieden ein Wert oder ein Zustand?

Nach fast drei Jahren des Ukraine-Kriegs ist die Welt gespalten. Während sich die Menschen Frieden wünschen, setzen die Kriegsgewinnler auf einen möglichst langen Krieg.

Eine Lichtinstallation wie hier in Rastatt ist schön und gut – doch es braucht mehr, um den Wahnsinn des Kriegs zu stoppen. Foto: baden de / Wikimedia Commons / CC-BY 3.0

(KL) – Für die meisten Menschen ist Frieden ein Wert. 8 Jahrzehnte lang hatten wir uns in Europa darauf verständigt, dass es so etwas wie die Weltkriege I und II nie wieder geben dürfe. Das ist verständlich, abgesichts von über 100 Millionen Toten und einem völlig zerstörten Kontinent. „Frieden“ war also etwas, was wichtig war. Und immerhin, die Europäische Union, die sich selbst lange stolz als „Friedensprojekt“ bezeichnete, wurde für diese Einstellung sogar mit dem Friedens-Nobelpreis ausgezeichnet. Doch den könnte sie nun eigentlich auch wieder zurückgeben. Denn das, was die meisten von uns als einen Wert betrachten, ist für diejenigen, die mit Krieg ihr Geld verdienen oder ihre geopolitische Lage zu verbessern meinen, kein „Wert“, sondern lediglich ein „Zustand“. Und Zustände können sich jederzeit verändern.

Frieden, da sind sich übrigens sogar die großen monotheistischen Weltreligionen einig, ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Denn das würde bedeuten, dass Krieg der Normalzustand ist, nur unterbrochen von Phasen des Friedens. Folglich würden sich Krieg und Frieden als sich abwechselnde Zustände präsentieren, was etwas ganz anderes ist als der „Wert Frieden“.

Doch die Zeiten haben sich geändert und diejenigen, die sich irgendwie an die Macht gewurschtelt haben, profitieren sehr vom Krieg. Sei es, dass sie sich und ihre politischen Ambitionen im gewünschten Licht darstellen können, sei es, weil sie finanziell vom Krieg profitieren. Die „Kriegsprofiteure“ sind nicht sehr zahlreich, haben aber die Macht zu entscheiden, ob ein Krieg fortgeführt wird oder nicht. Bezahlen müssen die Zeche diejenigen, die in jedem Krieg die Zeche zahlen – die „einfachen“ Menschen, denen befohlen wird zu töten und zu sterben.

Wenn man aber davon ausgeht, dass Frieden ein „Wert“ ist, dann muss man die Frage stellen, warum heute das Wort „Frieden“ zu einem Schimpfwort geworden ist, zu einem Synonym für „Feigheit“, sogar „Freundschaft mit Putin“, oder auch „Dummheit“. Dafür gewöhnen wir uns gerade daran, dass vieles in unserem Leben mit der Vorsilbe „Krieg-“ beginnt – Kriegs-Wirtschaft, Kriegs-Politik, Kriegs-Bereitschaft, Kriegs-Opfer und so weiter und so fort. Doch Frieden ist eben mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg. Frieden ist das gegenseitige Versprechen für ein Zusammenleben, für eine gemeinsame Haltung, die das Leben und das gemeinsame Leben über alles stellt.

Das neue Jahr 2025 wird uns alle vor eine große Herausforderung stellen. Brüllen wir mit den Mächtigen der Welt zusammen „Mehr Krieg! Mehr Waffen! Mehr Eskalation!“ oder werden wir uns dem Wahnsinn verweigern? Das Kriegsgeheuel der Mächtigen, die persönlich nie von den Kriegen betroffen sind, die sie führen, ist unerträglich. Wer nach drei Jahren des Kriegs, bei dem die russische Armee stetig vorrückt, immer noch an unsere eigene Propaganda glaubt, dass wir Putin „in die Knie“ oder zumindest zu einem „gerechten Frieden“ zwingen können, der sollte die Frage beantworten, warum wir das dann in den letzten drei Jahren nicht getan haben. Wäre der Westen in der Lage dazu, Putin zu irgendetwas zu zwingen, warum ist das dann nicht schon längst passiert? Die Antwort ist einfach – der Westen ist dazu nicht in der Lage und es wird höchste Zeit, die Lage realistisch zu beurteilen.

Wenn Frieden ein Wert ist, dann muss diesem Wert jetzt Rechnung getragen werden. Es kann nicht sein, dass zum dritten Mal in etwas mehr als einem Jahrhundert die ganze Welt einer Handvoll Wahnsinniger hinterherläuft, die dekretiert haben, dass dieser Krieg, an dem sie sich prächtig bereichern, „alternativlos“ ist. Hoffentlich wird 2025 das Jahr des Friedens und des Abschieds der Kriegstreiber, die für ihren persönlichen Profit bereit sind, zahllose Menschenleben zu opfern. Denn Frieden ist kein „Zustand“, sondern wirklich ein „Wert“. Der höchste.

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