Italien – die Mafia ist überall

Der Mafia-Jäger, Leitender Staatsanwalt der größten Staatsanwaltschaft Europas, Nicola Gratteri, läutet die Alarmglocken. Doch in der Regierung hört man lieber weg.

Mafia-Jäger Nicola Gratteri setzt "il sistema" immer mehr unter Druck. Foto: Niccolo Caranti / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Nicola Gratteri ist in Italien ein bekannter Mann. Der frühere Staatsanwalt von Castanzaro in Kalabrien kämpft seit Jahren gegen die Mafia und hat in Italien und auch international den Mafiosi der verschiedenen Gruppierungen bereits Tausende Jahre Gefängnis eingebracht. Doch funktioniert in Italien „Il Sistema“ nach wie vor wie geschmiert und während Nicola Gratteri die Mafia-Bosse jagt, versucht Justizminister Carlo Nordio im Auftrag seiner Chefin Giorgia Meloni weiterhin, eine „Justizreform“ durchzubringen, deren Hauptziel es ist, die Kriminellen in Anzug, Krawatte und Spitzenposition in Politik, Justiz und den großen Unternehmen straffrei aus ihren Skandalen herauskommen zu lassen. Doch nachdem Nicola Gratteri erklärt hat, dass „in Mailand kein Supermarkt ist, der nicht von der ‘Ndragetha (eine der großen Mafia-Gruppierungen, A.d.R.) kontrolliert wird“, kann man in Rom nicht länger weghören, dazu ist diese Aussage zu brisant.

Für die Regierung ist Nicola Gratteri ein echter Störenfried, da er in der Bevölkerung unglaublich beliebt ist, da er wie einst die Richter Falcone und Borsolino, die beide von der Mafia ermordet wurden, sehr erfolgreich gegen die verschiedenen Mafia-Gruppen kämpft. Bei seinem letzten großen Prozess in Catanzaro erreichte er die Verurteilung von hunderten Mafiosi zu insgesamt über 4000 Jahren Gefängnis und verabschiedete sich im Triumph aus Kantabrien, um seine neue Stelle als Chef der größten Staatsanwaltschaft Europas in Neapel anzutreten. Die Glaubwürdigkeit Gratteris zu erschüttern, ist ein aussichtsloses Unterfangen, was bedeutet, dass man sich in der Regierung und den hohen Instanzen der italienischen Justiz mit dieser Frage beschäftigen muss.

Aufgrund der starken Querverbindungen zwischen Politik, Justiz, Staatsunternehmen und dem Organisierten Verbrechen, ist Gratteris Kampf enorm schwierig. Abgesehen davon, dass er sich nur mit Personenschutz bewegen kann, wird seine Arbeit überall dort erschwert, wo das nur denkbar ist. Als Gratteri kürzlich auch noch forderte, dass Richter und Staatsanwälte alle 5 Jahre eine Eignungsprüfung absolvieren sollten, wurde es in den hohen Sphären Italiens deutlich unruhiger.

Dabei hat Nicola Gratteri natürlich Recht. Die verschiedenen Mafia-Gruppen sind tatsächlich überall dort, wo es in Italien um Geld und Macht geht. Doch „il sistema“, in dem sich die Akteure gegenseitig schützen, kommt im Informationszeitalter immer mehr unter Druck. Die Strafverfolgungs-Behörden verfügen über immer modernere Ermittlungsmethoden (während Justizminister Nordio den Ermittlern den Einsatz von Telefonüberwachungen verbieten will…) und für Politiker und die hohen Justizbeamten wird es immer gefährlicher, in die jeweiligen Skandale verwickelt zu sein.

Eine entscheidende Rolle kommt dem CSM zu, dem Consiglio Superiore della Magistratura, dem obersten Justizrat, der nominell von Staatspräsident Matarella geleitet wird. Hier werden die Präsidenten der verschiedenen Gerichte ernannt und in der Vergangenheit war es durchaus üblich, in Verfahren, die Mitglieder von „il sistema“ betrafen, neue Oberste Richter an denjenigen Gerichten zu ernennen, an denen die Verfahren verhandelt wurden, um sicherzugehen, dass es am Ende zu einem Urteil kam, das „il sistema“ gelegen kam. Sogar die Ernennung von Nicola Gratteri in Neapel musste vom CSM bestätigt werden, wo er trotz seines herausragenden Rufs „nur“ mit 19 zu 13 Stimmen gewählt wurde. Dreimal darf man raten, für wen die 13 Mitglieder des CSM arbeiten, die gegen Gratteri gestimmt haben…

Nicola Gratteri setzt das teilweise korrupte Justizsystem, die teilweise korrupte Politik und auch das Organisierte Verbrechen unter Druck. Justizminister Nordio kommt in immer größere Erklärungsnot zu seiner „Justizreform“, da man Italien verstanden hat, dass es in erster Linie darum geht, Schreibtischtäter straffrei zu stellen und auch die neuen italienischen Europaabgeordneten werden nach dem 9. Juni nicht umhin kommen, den Kampf gegen das Organisierte Verbrechen auf ihre politische Agenda zu schreiben, da die verschiedenen Mafia-Gruppierungen in ganz Europa aktiv sind. Vielleicht wäre es kleine schlechte Idee, würde man den Personenschutz für Nicola Gratteri verdoppeln…

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