Italien – im „il sistema“ fängt das Zittern an

Völlig unerwartet hat Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni eine geplante Justizreform gestoppt, mit der versucht wurde, Straffreiheit für hochrangige Mitglieder von „il sistema“ einzuführen.

Justizminister Carlo Nordio (l.) bei seiner Ernennung durch Präsident Matarella. Doch nun ist Giorgia Meloni (r.) ihrem Minister in den Arm gefallen. Foto: Quirinale.it / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Mehrere italienische Minister, darunter Justizminister Carlo Nordio und Verteidigungsminister Guido Crosetto, verstehen die Welt nicht mehr. Alles war so schön eingefädelt und die Justizreform von Carlo Nordio war bereits auf dem Weg, um künftig sicherzustellen, dass Verfahren gegen Politiker und hochrangige Richter und Staatsanwälte (die man in Italien zusammen „il sistema“ nennt) einfach unter den Teppich gekehrt werden können. Doch hätte Guido Crosetto wohl besser einfach geschwiegen, statt zu versuchen, die italienischen Institutionen durch Posts auf X unter Druck zu setzen, in denen er davon sprach, dass gerade hochrangige Treffen von Richtern und Staatsanwälten stattfänden, bei denen die Regierung Melonis „durch die Opposition im Justizsystem gefährdet sei“.

Bei der Reform von Carlo Nordio ging es darum, durch eine sehr kurze Verjährungsfrist dafür zu sorgen, dass Verfahren gegen hochgestellte Persönlichkeiten nach nur zwei Jahren eingestellt werden können, wenn dann noch kein erstinstanzliches Urteil vorliegt. Eine solche Einstellung von Verfahren wäre ebenfalls möglich gewesen, wenn nach nur einem weiteren Jahr kein Urteil der zweiten Instanz vorläge, nämlich des Appellationsgerichts. Dieses Vorhaben hätte faktisch eine Zwei-Klassen-Justiz eingeführt, denn die korrupten und hochrangigen Mitglieder von „il sistema“ in Justiz und Politik haben keinerlei Probleme, ein Verfahren zwei Jahre lang zu verschleppen, woraufhin es nach der geplanten Reform sofort hätte eingestellt werden können.

Zahlreiche Verfassungsrechtler und auch Richter und Staatsanwälte hatten gegen diese geplante Reform protestiert und dabei geltend gemacht, dass ein solches Gesetz verfassungswidrig sei und gegen den Grundsatz verstößt, nach dem jeder vor dem Gesetz gleich ist.

Doch mit seinen drohenden Posts hat Verteidigungsminister Guido Crosetto ein Eigentor geschossen und massive Reaktionen beim Nationalen Verband der Magistratur (ANM) ausgelöst, die Crosettos Posts als „Fake News“ bezeichneten und den Minister selbst scharf angingen. Dieser fühlt sich nun missverstanden und ungerecht behandelt, doch hat er sein Ziel, nämlich die Regierung unter Druck zu setzen, die Nordio-Reform schnell und reibungslos als „Dekret-Gesetz“, sprich ohne Abstimmung im Parlament zu verabschieden, eindeutig verfehlt. Dass Crosetto sich nun rechtfertigt, dass er lediglich die Regierung habe „warnen“ wollen, glaubt selbst in Italien kaum jemand.

Wie es mit der vorerst gescheiterten Reform weitergeht und ob Meloni nun tatsächlich anfängt, in „il sistema“ aufzuräumen und die allgegenwärtige Korruption zu bekämpfen, muss man abwarten. Doch dass sie ihren eigenen Ministern dabei in den Arm fällt, faktisch Straffreiheit für die Mitglieder von „il sistema“ einzuführen, ist bemerkenswert. Ein Dossier, das sich lohnt weiterverfolgt zu werden. Und genau das werden wir tun…

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