Der linke Flügel der Syriza spaltet sich ab – jetzt wird es spannend

Vor den Neuwahlen am 20. September 2015 trennt sich der linke Flügel der Syriza vom Rest der Partei ab. Vermutlich werden aber beide Flügel zusammen an die Macht gewählt.

Entweder er ist verzweifelt oder der genialste Politiker Europas - Alexis Tsipras. Foto: www.kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Nachdem Premierminister Alexis Tsipras seinen Rücktritt eingereicht und damit den Weg zu Neuwahlen eröffnet hat, hat sich nun der linke Flügel der Syriza zu einer neuen Partei aufgestellt. „Laiki Enotita“, was soviel wie „Volkseinheit“ bedeutet. Doch diese Abspaltung muss nicht unbedingt das bedeuten, was sich die Herren Schäuble, Dijsselbloem & Co. wünschen mögen, nämlich die Rückkehr der willfährigen Brüssel-Marionette Samaras an die Macht. Im Gegenteil, wenn alles „normal“ läuft, dürften Syriza und Laiki Enotita nach den Wahlen am 20. September über eine Regierungsmehrheit verfügen, so dass man nicht mehr auf die Stimmen der Rechtsextremen und der Nea Demokratia angewiesen ist.

Entweder ist Alexis Tsipras verzweifelt oder er ist der geschickteste Politiker Europas. Denn ihm ist klar, dass die Maßnahmen, die ihm von Brüssel und den Finanzinstitutionen diktiert wurden, sein Land auf Generationen im Elend versinken lassen würden – mit einem noch deutlich linker eingestellten Koalitionspartner könnte er die europäischen Verhandlungspartner stärker unter Druck setzen, wobei er immer wieder mit einer Regierungskrise drohen könnte. Das wäre die eine Variante. Die andere Variante ist, dass Tsipras tatsächlich die unsäglichen „Reformen“ akzeptiert hat, was allerdings kaum zum Referendum vom 5. Juli passen würde, das er selbst initiiert hatte und bei dem ca. 60 % der Griechen laut und deutlich „oxi“ zu den neuen Austeritätsmaßnahmen gesagt hatten, was wiederum die EU veranlasste, die Daumenschrauben noch stärker anzuziehen.

Die Aufspaltung der Syriza könnte sogar dazu führen, dass noch mehr Griechen für beide Formationen zusammen stimmen, als vorher alleine für die Syriza. Dann steht Tsipras für die „Realpolitik“ und die Laiki Enotita für die reine Lehre, die ja offenbar in Griechenland mehrheitsfähig ist. Und das könnte spannend werden, denn in beiden Parteien, Syriza und Laiki Enotita werden Politiker und Politkerinnen sitzen, die in Griechenland außerordentlich beliebt sind. Auch Tsipras Popularität ist intakt, ebenso, wie Yannis Varoufakis immer noch sehr beliebt ist (auch, wenn er der Laiki Enotita eine Absage erteilt hat).

Die Laiki Enotita wird vom früheren Energieminister Panagiotis Lafazanis geleitet, der ebenfalls in der Gunst der Griechen weit oben steht. Mit diesem Coup könnten beide zusammen die Rechtsextremen aus der Regierung drängen und sich ein solides Mandat für die nächsten Jahre abholen. Das wäre eine gelungene Antwort auf die Versuche aus Brüssel und Berlin, Tsipras zu stürzen. Bei diesen Versuchen war Antonio Samaras auch etwas zu früh aus der Deckung gestürmt und hatte sich als möglicher Nachfolger von Tsipras ins Spiel gebracht – wodurch deutlich wurde, dass das Hauptziel der europäischen Konservativen tatsächlich der Sturz einer ihnen unangenehmen linken Regierung war.

Die Demokratie in Griechenland dürfte nach dem 20. September noch spannender und interessanter werden, als sie es ohnehin schon ist. Für uns Deutsche und Franzosen, die seit Jahrzehnten immer wieder die gleichen langweiligen linksrechtslinksrechts-Wechsel erleben, bei denen die Akteure inzwischen beliebig austauschbar sind, da ohnehin alle nur noch neoliberale Wirtschaftspolitik betreiben, ist eine solch lebendige Demokratie kaum noch vorstellbar. In Deutschland muss man sich in die frühen 70er Jahre zurück erinnern, als letztmals politische Inhalte gegeneinander standen, als ein Willy Brandt gegen Franz-Joseph Strauss antrat.

Sollte der Staatsstreich der EU in Griechenland scheitern, wäre das eine gute Nachricht und ein herber Dämpfer für die Allmachtphantasien der europäischen Machthaber. Ein Zeichen, dass sich die Völker noch gegen ihre politische Kaste wehren können, wenn diese allzu offensichtlich gegen die Interessen der Menschen arbeiten. Ein Lichtstreifen am Horizont.

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