Jeder gegen jeden – und wer für Straßburg?

Fast ein halbes Jahr vor der OB- und Kommunalwahl in Frankreich ist in Straßburg inzwischen praktisch jedes verfügbare politische Tischtuch zerschnitten.

Ein "informeller Parteiausschluss" für Roland Ries - so etwas gibt es überhaupt nicht... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – In einem halben Jahr werden in Frankreich die Stadt- und Gemeinderäte und vor allem die Bürgermeister neu gewählt. Im politischen Tsunami, der Frankreich 2017 erfasst hat, muss man bei dieser Wahl mit großen Veränderungen rechnen, denn diese Wahl ist nicht nur eine „Personenwahl“, bei der ein Primus inter Pares gewählt wird, sondern diese Wahl ist ebenfalls eine „Halbzeitwahl“ für die ersten zweieinhalb Jahre der Amtszeit von Präsident Macron – entsprechend nervös sind die Akteure und Gemauschel, Verrat, seltsame Allianzen sind bereits jetzt an der Tagesordnung. Auch in Straßburg. Was dabei allerdings zu kurz kommt, sind die Bürgerinnen und Bürger – bei denen setzt sich das Gefühl durch, dass es nur noch um persönliche Ambitionen und die Karriereplanung der Lokalpolitiker geht.

Während der Kandidat der Regierungspartei LREM Alain Fontanel in dieser Woche den offiziellen Segen der Parteizentrale in Paris erhielt, die Grüne Jeanne Barghesian mit einer Party bereits ihr Wahlkampfbüro einrichtete, der rechtsextreme Kandidat Gond-Manteaux seine Kandidatur zurückzog, nachdem seine Verurteilungen wegen rassistischer Akte bekannt wurden, nachdem die „große alte Dame“ der Straßburger Politik Catherine Trautmann erklärte, dass sie auf der Liste des PS-Kandidaten Matthieu Cahn kandidieren werde, kam es dann noch zum Eklat. Aus den Medien erfuhr der Straßburger Bürgermeister Roland Ries, dass ihn sein PS-Parteichef Oliver Faure „informell“ aus der Partei ausgeschlossen habe, nachdem Ries mit 76 anderen Unterzeichnern in einem Gastbeitrag im „Journal du Dimanche“ angeregt hatte, die französische Linke möge doch in die Regierungspartei LREM von Präsident Macron eintreten und dort einen „Pol der Linken“ einrichten, damit LREM pluralistischer würde.

Ein „informeller“ Parteiausschluss? Das gibt es eigentlich gar nicht, zeigt aber, dass die Nerven nicht nur in der Provinz, sondern vor allem in Paris blank liegen. Und in Paris verbittet man sich, nicht nur bei der PS, der Partei von Roland Ries, sondern auch in anderen Parteien, so etwas wie einen kritischen Dialog. Französische Parteien erwarten von ihren Parteisoldaten Gehorsam und die widerspruchslose Umsetzung des Anweisungen aus Paris. Natürlich gibt es auch in der PS ein geordnetes Verfahren, wenn man jemanden aus der Partei ausschließen will, und solange dieses Verfahren nicht durchlaufen wurde, ist der Straßburger OB natürlich immer noch Mitglied der PS.

Man kann zu dem Vorschlag, die PS möge doch einfach eine Art Blinddarmfortsatz der Macron-Partei werden, sehr kritisch stehen. Und natürlich ist dieser öffentlich gemachte Vorschlag auch der Versuch, seinen Kronprinzen und ehemaligen PS-Politiker Alain Fontanel in eine gute Position zu bringen, doch hätte diese Diskussion auch etwas souveräner und vor allem inhaltlich geführt werden können. Die überzogene Reaktion von Olivier Faure zeigt vor allem, dass man es in der PS nicht mehr gewohnt ist, sich politisch auch mit unterschiedlichen Meinungen und Positionen auseinanderzusetzen.

Roland Ries, der auf 45 Jahre Parteizugehörigkeit zurückblickt, zeigte sich dementsprechend vom „Korporatismus“ seiner Partei enttäuscht und bedauerte in einer Reaktion den „Mangel an Offenheit, an Dialog und an widersprüchlichen Positionen“ in seiner Partei. Auch, wenn viele in der Straßburger PS über sein Manöver entsetzt sind, so muss man doch feststellen, dass Parteichef Olivier Faure inhaltliche Auseinandersetzungen scheut, denn diese würden über kurz oder lang zur Frage führen, wieso die PS eigentlich gerade implodiert – und dafür trägt der führungsschwache Faure maßgeblich bei. Sein Verzicht auf eine PS-Liste bei der Europawahl, bei der er in erster Linie den Philosophen und Philosophensohn Raffael Glucksmann auf einen Sitz im Europäischen Parlament protegiert hatte, war eine Art Bankrotterklärung seiner Partei. Doch wenn ein Parteichef schon nicht mehr an seine eigene Partei glaubt, dann sollte er sich auch Vorschläge wie den von Roland Ries anhören, diesen diskutieren und dann gegebenenfalls ablehnen. Und so seltsam der Vorschlag von Ries auch ankommen mag, in einem hat der Straßburger OB völlig Recht: „Bei all dem kümmert sich niemand um die Wurzel der Probleme und um die Tatsache, dass die PS in kürzester Zeit ganz tief gefallen ist.“

Wenn man bedenkt, dass all das in nur einer Woche, ein halbes Jahr vor dem Wahltermin passiert ist, dann werden die kommenden Monate interessant werden. Die Grabenkämpfe haben begonnen, bevor die Gräben ausgehoben worden sind.

2 Kommentare zu Jeder gegen jeden – und wer für Straßburg?

  1. Wahnsinn. Dieser K.L.(Kolonial-Leutnand Kai Littmann) redet über “Paris” und die “Provinz”, als wäre unsere EU-Hauptstadt Straßburg ein franz. Provinzstädlein (wie etwa Metz oder Châlon en Champagne… statt #UNSER #LAND das Elsass zu verteidigen). La même pensée binaire que les colons d’Outre-Vosges qui détruisent notre Alsace. Dass solch ein Schwabe sich wie ein Pariser Kolonial-Herr benimmt, ist der Gipfel. Er ghärt so schnell wi mejlich uf de Mond gschosse ! Envoyez !

    • Eurojournalist(e) // 26. Oktober 2019 um 8:41 // Antworten

      Thema verfehlt. Entweder haben Sie den Artikel nicht gelesen oder nicht verstanden. Und wie mutig, unter Pseudonym so einen Blödsinn zu schreiben… auf Dauer machen Sie sich nur noch lächerlich. Allerdings haben Sie Ihr übliches “Die bringen die elsässische Identität um!” vergessen…

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