Jetzt wird’s ernst? Nein: Es ist ernst!

Eine entscheidende Woche für SIG Strasbourg – so jedenfalls lautet der Aufruf des Vereins an alle Fans der Straßburger Basketballer vor den beiden nächsten Heimspielen am Mittwoch gegen Sassari in der Champions League und Orleans am Samstag.

Yo, SIG Strasbourg braucht grade die volle Unterstützung der Fans! Foto: ScS Website SIG

(Von Michael Magercord) – Ist das schon Verzweiflung? Befinden wir uns in der entscheidenden Phase eines Krieges? Das muss man jedenfalls glauben, wenn man die offiziellen Vereinsmitteilung an die Freunde des elsässischen Basketballs liest. Totalmobilisierung ist angesagt: „Die Mannschaft braucht euch, alle in den Rhenus!“

Der 12. Mann ist gefragt – als solchen würde man zumindest beim Fußball das Publikum beschwören. Beim Basketball fällt das Zählen schwerer: Sollte es der Sechste auf dem Parkett sein? Oder doch eher der Fünfzehnte zum Einwechseln? Ach, was soll die kleinliche Rechnerei, dann doch gleich eine ganze Armee aufs Feld schicken. Der massive Einsatz der „SIGArmy“ – so wird in der Rhenus-Halle die Fangemeinde bezeichnet – soll richten, was die gutdotierten Profis einfach nicht mehr hinbekommen: siegen nämlich!

Gerade auf heimischen Parkett verlieren sie Spiel um Spiel. Folge: Vorletzter in der Gruppe in der europäischen Champions League und nur noch Zehnter in der französischen Liga. Und das, wo doch der Verein soviel vorhat: Eine neue Halle, ach, ein richtiges Sportzentrum sollte es bald geben… ja, das waren noch Zeiten, als man unbeschwert planen konnte. Da lief es noch gut, das Erreichen von Finalspielen gehörte für SIG zur Selbstverständlichkeit, eine größere Halle im Stadtteil Wacken schien geradezu ein Muss zu sein für Fans und Verein – und jetzt?

Im Norden Straßburgs sind in den letzten Jahren die Betonklötze nur so aus dem Boden gestampft worden. Seither hat sich die allgemeine Begeisterung für kolossale Großbauten aus Stahl, Glas und Beton reichlich abgekühlt. Noch so ein Kasten wie das neue Gebäude des Theaters Maillon? Dessen einstige Spielstätte im ehemaligen Ausstellungspavillon aus den 20er Jahren wurde einfach abgerissen. Der neue 30-Millionen-Euro-Bau versprüht – wie treue Abonnenten sagen – den Charme eines TGV-Bahnhofs und die Cafeteria, worin es sich an alter Stätte auf abgewetzten Sofas prächtig rekeln ließ, scheint einer Betriebskantine nachempfunden zu sein…

Nein, der Spaß an noch mehr Palästen dieser Sorte ist den so manchem Straßburger abhandengekommen – und der an Meisterschaften auch? Zumindest bei den letzten Spielen von SIG Strasbourg in der europäischen Basketball Champions League blieben etliche Plätze leer. In einem kompletten Ecksektor werden die knallgelben Sitze nun mit einem riesigen Tuch abgedeckt, dass das Hemd eines Trikots darstellt – wird es wenigstens das letzte sein? Immerhin noch gut viereinhalbtausend Zuschauer sind dabei gewesen, als im Dezember SIGs Mannen gegen die Tabellenletzten aus Polen antraten – und verloren haben, so dass die Zuschauer erstmals am Ende der Partie die eigene Mannschaft ausgepfiffen hatten.

Eine rührige Faninitiative hat eine Unterschriftenaktion gestartet. Sie sorgen sich um das Image des Vereins. Denn in den TV-Übertragungen stächen oft die leeren Sitzplätze ins Auge und eben nicht die schönen Aktionen der Fans. Dabei sei die Lösung so einfach: Denn wenn aus der neuen Halle erst einmal nichts wird, dann könne der Verein doch ein wenig Geld in die Hand nehmen und die im Fernsehen und auf Fotos so augenfälligen gelben Plastiksitze austauschen gegen eine Bestuhlung in einem dezenteren Farbton.

So geht’s natürlich auch. Und mal ehrlich: Ganz gut, dass es die neue Halle noch nicht gibt. Wenn, dann wäre sie im Dezember zur Hälfte leer gewesen – oder doch halbvoll? Aber den Stand zwischen Fülle und Leere genau zu bestimmen ist ja bekanntlich keine Rechenaufgabe, sondern eine Gefühlssache. Und dass sich für die treuen Dauerkartenbesitzer und die zahlenden Zuschauer, die dem Aufruf ihres Vereins nun folgen, wenigstens die alte Halle in dieser entscheidenden Woche wie voll anfühlt, dazu müssen jetzt endlich auch die Profis ihren Teil beitragen. Am Mittwoch in der Champions League gegen das italienische Spitzenteam aus Sassari geht es bereits um die Wurst: Eine weitere Niederlage und das war’s dann mit Europa. Und am Samstag in der heimischen Liga gegen Orleans ist Sieg Pflicht, sonst wird der Weg in die Play-Offs immer enger. Also Attacke! Oder so ähnlich…

SIG Strasbourg – Dinamo Sassari (BCL)
MI 22. Januar, 20.30 Uhr

SIG Strasbourg – Orleans (Franz. Liga)
SA 25. Januar, 20 Uhr

Infos und Tickets unter: www.sigstrasbourg.fr

1 Kommentar zu Jetzt wird’s ernst? Nein: Es ist ernst!

  1. Michael Magercord // 26. Januar 2020 um 11:42 // Antworten

    … und es wurde ernst: Trainer Collet ist gestern Abend entlassen worden.

    Beide Spiele hat SIG in dieser Woche auf dieselbe Manier versemmelt. Nach völlig verschlafenen ersten Halbzeiten reichte es zum Ende nicht mehr, den versäumten Punkten hinterherzulaufen. Knapp zwar, aber letztlich eben verloren. Das bedeutet das Aus in Europa und fast auch schon für die Play-Offs in der französischen Liga. Für die Ansprüche des Vereins und seinen großen Plänen für den Hallenneubau ist das defintiv zu wenig, oder wie es in der Pressemitteilung heißt “katastrophal”. Die Vereinsführung hat noch am Samstagabend, gleich nach der Niederlage gegen Orleans, gehandelt: Bis auf Weiteres übernimmt nun der bisherige Assistenztrainer Lassi Tuovi die Verantwortung für die Profi-Mannschaft.
    Nichts desto trotz: Mit dem Namen Vincent Collet verbinden sich große Erfolge von SIG Strasbourg in den vergangeen neun Spielzeiten. Aber damit eben auch die vielleicht etwas überzogene Anspruchshaltung des Vereins und seines Umfeldes. Ob sich die nun noch erfüllen lassen? Wir bleiben am Ball…

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