Jetzt, wo sie Hilfe braucht: Angela Merkel – allein zu Hause!

Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als die Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Bauch heraus das Richtige tut, lassen ihre Regierungspartner sie genauso im Stich wie die Opposition.

Plötzlich ist Angela Merkel ganz alleine - wo sie zum ersten Mal richtig viel Unterstützung verdient hätte. Foto: European People's Party / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Mitten in der dritten Amtszeit von Angela Merkel als Bundeskanzlerin ist das Unfassbare passiert – „Mutti“ sinkt in den Umfragewerten! Schlimmer noch, sie steht inzwischen fast ganz alleine da. Parteifreunde, Parteibasis, Opposition, alle wenden sich von der Kanzlerin ab, nur weil diese zum ersten Mal richtig mutig, europäisch und menschlich handelt. Dabei hätte sie in dieser Situation wirklich etwas Besseres verdient, als wie Kevin “alleine zuhause” gelassen zu werden.

Ihr Parteifreund Horst Seehofer, der Fürst von Bayern, hat seiner Kanzlerin mit viel Getöse eine Verfassungsklage angedroht, ihr Koalitionspartner Sigmar Gabriel (SPD) wittert Morgenluft und greift die Kanzlerin ebenfalls frontal an, im Europaparlament muss sie sich von einer verbal wild um sich schlagenden Marine Le Pen angeifern lassen – dabei hat es in drei Amtszeiten keine Situation gegeben, in der Angela Merkel eine mutigere, richtigere Politik gemacht hätte.

Doch die Politiklandschaft ist ebenso gnadenlos wie die Wählerschaft. Die glaubt nämlich nicht der Kanzlerin („Wir schaffen das!“), sondern der BILD-Zeitung, die aus unüberprüfbaren Quellen nicht überprüfbare Horrorzahlen über ankommende Flüchtlinge verbreitet („aus einem vertraulichen Bericht einer nicht genannten Behörde“) und damit ihre von Krokodilstränen geschwängerte Aktion „Wir helfen!“ selbst ad absurdum führt. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit ist die CDU unter 40 % in den Umfragen gesunken und die Kanzlerin selbst rutschte in wenigen Tagen um unglaubliche 7 % in den Beliebtheitswerten ab. Der Stammtisch scheint das Land zu übernehmen.

Dabei hat Angela Merkel ihr Schlüsselerlebnis in einer TV-Sendung, als sie mit einem von der Ausweisung bedrohten syrischen Mädchen konfrontiert war, die in Tränen ausbrach, in politische Empathie umgemünzt. Statt angesichts der Zehntausenden Flüchtlinge, die in Ungarn wie Vieh behandelt wurden, erst umständlich Gipfel einzuberufen oder Arbeitsgruppen zu bilden oder erst einmal gar nichts zu tun, tat sie das Richtige – sie öffnete die Tür nach Deutschland. Ihr „Wir schaffen das!“ war ansteckend. Sie löste mit ihrer Haltung das aus, was mittlerweile weltweit mit dem deutschen Begriff „Willkommenkultur“ bezeichnet wird – eine Welle der Solidarität, die ihre Kollegen im Kabinett und den Ländern, aber auch die CDU-Basis, zunichte machen.

Angela Merkel hat eine für eine CDU-Bundeskanzlerin unglaubliche politische Frage aufgeworfen und auch gleich beantwortet: „Wollen wir eine humanistische Pflicht erfüllen oder uns mit Händen und Füssen dagegen wehren, ein Stückchen von unserem Wohlstand zu opfern, um Menschen in Not zu helfen?“ Während ihre Partei offen zur zweiten Option neigt, hat Angela Merkel die erste gewählt und steht damit auf einmal ganz alleine da.

Dass sich die CDU/CSU weder christlich noch sozial verhält, sondern den Stammtisch und die „Pegida“ mit Input füttert, ist ärgerlich, aber wenig überraschend. Dass die SPD diese Gelegenheit nutzt um zu versuchen, ein wenig politisches Profil zu gewinnen, indem sie die Kanzlerin angreift, ist jämmerlich. Die Partei von Sigmar Gabriel müsste fest an der Seite der Kanzlerin stehen, statt in einer solchen Situation zu versuchen, Angela Merkel weiter zu schwächen.

Gut ist nur, dass in der CDU/CSU weit und breit kein potentieller Nachfolger für Angela Merkel in Sicht ist – die Farblosigkeit der zweiten Reihe der stärksten Regierungspartei ist augenfällig: Weder ein Thomas de Maizière, noch ein Volker Kauder, noch eine Ursula von der Leyen sind Alternativen zum Machtmenschen Angela Merkel. Horst Seehofer schon gar nicht. Insofern steht bei der CDU/CSU zum Glück kein „Königsmord“ auf der Tagesordnung, doch sollten sich CDU/CSU und SPD gemeinsam schämen, dass sie nicht die Größe haben, in einer derart schwierigen Situation hinter Angela Merkel zu stehen. Die es zum ersten Mal in drei Amtszeiten wirklich verdient hätte.

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