Joe Biden – hat da jemand „sleepy Joe“ gesagt?

Karl-Friedrich Bopp zieht eine Bilanz der ersten 100 Tage des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden im Amt.

Die 100-Tage-Bilanz von Joe Biden sieht ermutigend aus. Foto: Gage Skidmore from Surprise, AZ, United States of America / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden, ist seit 100 Tagen neuer Chef im Weißen Haus. Traditionell ein Anlass, eine erste Einschätzung des neuen Amtsinhabers vorzunehmen. Wie fällt das Urteil für Joe Biden aus? Hier die Bewertung einiger wichtiger Politikfelder.

Neue Umgangsformen, neuer Stil. – Keine aufgeregten Tweets. Keine Beleidigungen von politischen Gegnern und keine herablassenden Bemerkungen über ausländische Staatsmänner und –Frauen. Diesbezüglich ist es angenehm ruhig geworden im politischen Washington. Es wird wieder mit ruhiger Hand regiert. Es wird einfach gearbeitet.

Covid-19-Impfkampagne. – Eindeutig der größte Erfolg der ersten 100 Tage von Joe Biden. Mehr als 220 Millionen Amerikaner und Amerikanerinnen wurden gegen Covid-19 geimpft. Die tödlichen Verläufe nach einer Virus-Übertragung sind bei Älteren um 80 Prozent zurückgegangen. Mehr noch, inzwischen hat jede Person Anspruch auf einen Impfstoff, die älter als 16 Jahre alt ist. Davon sind wir in Europa noch weit entfernt.

Konjunkturpaket. – Ein Gesetz mit einem Hilfsprogramm von gigantischen 1,9 Billionen Dollar hat alle parlamentarischen Hürden genommen. Es soll der amerikanischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen, indem einfachen Bürgern und Bürgerinnen sowie Betrieben, die unter der Pandemie gelitten haben, unter die Arme gegriffen wird. Im Übrigen, wo steckt eigentlich das 750 Milliarden Euro Hilfspaket der Europäer?

Klimawandel. – Hier machte der neue Präsident schnell klar, dass er mit der internationalen Staatengemeinschaft wieder an einem Strang ziehen will. Nicht nur hat er die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen zurückgeführt, sondern in einem virtuellen Klimagipfel auch eine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel angekündigt. Generell hat Joe Biden schnell klargemacht, dass er wieder auf die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen wert legt, indem er zum Beispiel die Mitarbeit der USA in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wiederaufgenommen hat.

Einwanderungspolitik. – Das wird die eigentliche Herausforderung für Joe Biden werden. Allein die Ankündigung eines humaneren Umgangs mit Flüchtlingen an der Grenze wurde in den südamerikanischen Ländern als der Beginn einer neuen Periode der leichteren Einreise in die USA missverstanden. Mit keinem überraschenden Ergebnis. Die illegalen Grenzübertritte haben in den letzten 100 Tagen massiv zugenommen. Jetzt soll es die Vize-Präsidentin Kamala Harris richten. Sie wurde beauftragt, Vorschläge für eine Einwanderungsreform zu erarbeiten.

Im allgemeinen kann man sagen: „Guter Start, Herr Präsident!“. Auch die Umfragen spiegeln es wieder. 54 Prozent der Amerikaner sind zufrieden mit seiner Arbeit. 41 Prozent sind anderer Meinung. Gemessen an der hohen Polarisierung der Bevölkerung im Nachgang zur Novemberwahl sind das durchaus ermutigende Werte.

Woraus sich das wichtigste Wahlversprechen ableitet – der Wille, die tief gespaltene US-Gesellschaft wieder miteinander zu versöhnen. Mit seiner ihm eigenen ausgleichenden Methode ermutigt er die verschiedenen Lager, wieder aufeinander zuzugehen. Niemand konnte allerdings erwarten, dass es in dieser enormen gesellschaftspolitischen Frage in solch einer kurzen Zeit messbare Ergebnisse geben könnte.

Eines ist aber sicher. Nach den ersten 100 Tagen im Amt kann man Präsident Joe Biden politischen Willen zur Veränderung, Tatkraft und Kompetenz zuerkennen. Einen „sleepy Joe“ kennen wir jedenfalls nicht.

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