Kalter Krieg 2.0

Die westliche Welt und Russland haben mit einem unguten Abtausch diplomatischer Ohrfeigen begonnen. Wo soll das eigentlich hinführen?

Berlin 1961. Wollen wir diese Bilder wirklich erneut sehen ? Foto: Central Intelligence Agency / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Russland gegen die westliche Welt. Die westliche Welt gegen Russland. Langsam wird es peinlich, wie die Großmächte der Welt in einen lächerlichen Gemächtvergleich eingestiegen sind, bei dem es nur einen Gewinner geben kann – die internationale Rüstungsindustrie. Erstaunlich ist dabei, dass die EU brav dem US-Präsidenten Donald Trump hinterherdackelt und dass offenbar in der EU nur noch eine Außenpolitik macht – ausgerechnet Theresa May, die auf dem Weg aus der EU hinaus noch schnell ein wenig Porzellan zerschlägt.

Nach dem seltsamen Giftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in England überschlagen sich nun die westlichen Länder mit so genannten diplomatischen Maßnahmen – 23 Länder sind dem britischen Beispiel gefolgt und haben russische Diplomaten ausgewiesen. Russland bereitet nun seinerseits die Ausweisung westlicher Diplomaten vor und die Gräben zwischen dem Westen und Russland werden immer tiefer.

Unwillkürlich denkt man bei den Erklärungen verschiedener westlicher Politiker an den Beginn des Ersten Golfkriegs, als General Powell vor der UN-Vollversammlung schlicht gefälschte Beweise vorlegte. Bezüglich der Vergiftung von Sergej Skripal ist die Situation ähnlich – momentan weiß niemand genau, was passiert ist und wer dahinter steckt. Das bedeutet, dass dieses diplomatische Armdrücken ohne irgendwelche stichhaltigen Beweise stattfindet.

Rollt man die Frage allerdings anders herum auf, indem man untersucht, wem dieser Anschlag nutzt, dann bleibt der Blick auf Theresa May hängen. Diese ist politisch angeschlagen, denn selbst die Briten begreifen langsam, was ihre Premierministerin mit dem „Brexit“ gerade veranstaltet. Da kommt der Anschlag von Salisbury gerade Recht – die ganze Aufmerksamkeit ist nun auf Russland gerichtet und May kann im Hintergrund weiter an ihrem idiotischen „Brexit“ basteln. Das ist ein wenig mit der Situation vergleichbar, in der Theresa Mays Vorbild Margaret Thatcher den Falkland-Krieg startete. Ein externer „Feind“ eint die Nation, lenkt vom eigenen Versagen in der Tagespolitik ab und bringt Popularitätspunkte.

Dass Russland nun reagiert, wen wundert’s? Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Russland hinter diesem Anschlag steckt, viele Gründe sprächen dafür. Doch ebenso viele Gründe sprechen dagegen, vor allem der Gedanke, dass es für Russland deutlich bequemer gewesen wäre, Skripal anderswo und diskreter anzugreifen. Außerdem haben die russischen Geheimdienste in der Regel eine andere Erfolgsquote; wenn Russland wirklich jemanden beseitigen will, dann schafft man das zumeist auch. Diskret und effizient. Da wirkt der Anschlag von Salisbury geradezu amateurhaft.

Und wo soll das jetzt hinführen? Die Rüstungsindustrie reibt sich die Hände, blendende Geschäfte zeichnen sich ab. Denn wer „Kalter Krieg“ sagt, sagt gleichzeitig Aufrüstung bis zum Abwinken. Und wenn diese ganze Geschichte nun einfach nur inszeniert war?

Die Welt vertrumpt immer mehr und es ist erstaunlich, wie sich die EU verhält. 16 der 28 EU-Mitgliedsstaaten haben sich der Aktion angeschlossen und russische Diplomaten ausgewiesen. 16 von 28. Geschlossenheit sieht anders aus und auch dieser Vorgang zeigt, in welchem Zustand sich die EU befindet: kurz vor der Auflösung.

Die EU ist inzwischen ebenso wirkungslos wie die UNO geworden – es wäre an der Zeit, einen neuen, internationalen Völkerbund ins Leben zu rufen, der anders organisiert sein muss als die bestehenden Institutionen. Denn deren Wirkungslosigkeit kann nicht mehr durch politische Kommunikation bemäntelt werden. Die EU steht vor der alles entscheidenden Sinnfrage, doch die Antwort könnte frustrierend ausfallen. Angesichts des neuen europäischen Nationalismus stehen die Chancen hoch, dass sich Europa wieder zurück in die Vergangenheit entwickelt. Denn ganz offenbar sind alle historischen Lektionen des letzten Jahrhunderts schon in Vergessenheit geraten. Was dann bedeutet, dass sich die Geschichte einfach wiederholt. Wie immer.

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