Kandidaten mit unglaublichen Fähigkeiten…

Im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen versteigen sich die Kandidaten zu teilweise abenteuerlichen Aussagen. So will der konservative François Fillon das Internet auf den Weg gebracht haben…

Ohne François Fillon würden die Franzosen noch mit Brieftauben und Rauchzeichen kommunizieren. Glaubt er. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – 1989 „erfand“ der britische Physiker Tim Berners-Lee das „World Wide Web“, das sich dann zum Internet entwickelte. Erarbeitet wurde es mit der vom CERN entwickelten Sprache HTML und die Idee entsprang aus der konsequenten Weiterentwicklung des „Arpanet“ genannten Datennetzes, das von der amerikanischen Armee genutzt wurde und deshalb privaten Nutzern verschlossen blieb. Soweit die Fakten. Doch der wichtigste Mann, der das Internet in Frankreich überhaupt erst richtig auf die Schiene brachte, war – François Fillon. Davon ist zumindest einer überzeugt. Er selbst.

Wer französischer Präsident werden will, der muss die Wählerinnen und Wähler beeindrucken, alleine schon, um aus der inzwischen schon fast unübersichtlichen Anzahl von Kandidaten für das höchste Staatsamt herauszustechen. Da werden dann die Aussagen auch schon, sagen wir mal, seltsam. Wobei Fillon auch nicht völlig Unrecht hat – denn immerhin war er es, der als Minister in grauen Vorzeiten der V. Französischen Republik den Telekommunikationsmarkt öffnete. Na ja, ihn öffnen musste, denn das war eine 1987 formulierte europäische Vorgabe. Und mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts kamen neue Akteure auf diesen Markt, die sich dann alle zusammen einen Wettbewerb mit dem zuvor staatlichen Monopolisten France Telecom lieferten. Und neue Produkte wie beispielsweise Datenverkehr auf Telefonleitungen anboten. Aber kann François Fillon deswegen behaupten, dass es in Frankreich ohne ihn kein Internet gäbe?

Bei France Telecom dürfte man weniger erfreut über diese Aussage von Fillon sein, denn übersetzt bedeutet sie, dass es wohl mit den damals verbeamteten Schlafmützen des Telekommunikations-Riesen kaum zur rasanten Entwicklung des Internets in Frankreich gekommen wäre.

Die Reaktionen auf den Sozialen Netzwerken waren großartig. Denn angesichts der Kandidatinnen und Kandidaten für die bevorstehende Präsidentschaftswahl haben sich die Franzosen zumindest eines behalten – ihren Humor. So vermutete jemand, dass demnächst wohl herauskäme, dass Fillon auch die „Bananen-Biegemaschine“ erfunden habe und auch ansonsten nahm man es eher mit Humor. Und das ist sicherlich der beste Umgang mit diesem Wahlkampf. Würde man ihn ernster nehmen, müsste man nämlich verzweifeln…

1 Kommentar zu Kandidaten mit unglaublichen Fähigkeiten…

  1. Martin Costabel // 11. Januar 2017 um 12:28 // Antworten

    Da hat der Eurojournalist aber 90% der Fillon’schen Propaganda ungeprüft geschluckt!
    Wer die Entwicklung des Internets in den letzten Jahrzehnten mitverfolgt hat, muss hier protestieren.
    NEIN, das Internet ist keine Weiterentwicklung des World-Wide-Web. Es existierte vorher (unter diesem Namen) und konnte auch von Privatleuten z.B. für E-Mail und andere Dienste wie FTP benutzt werden. Das WWW benutzte und benutzt die von schlafmützigen Beamten geschaffene Infrastruktur des Internets.
    NEIN, der Datenverkehr auf Telefonleitungen in Frankreich ist kein Angebot, das nach der Liberalisierung des Telekom-Marktes von Konkurrenten der France Telecom eingeführt wurde. In Frankreich gab es mit dem Minitel viele Jahre lang einen allgemein nutzbaren Netzzugang per Telefonleitung, bevor 1998 mit ADSL der schnelle Datenverkehr auf Telefonleitungen für das allgemeine Publikum eingeführt wurde. All das kam von France Telecom. Konkurrenten wie Free (dessen Gründer durch Pornoseiten auf dem Minitel reich geworden war) oder Bouygues kamen erst später dazu, als der Markt bereits geschaffen war.

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