Kandidatenkür in Frankreich… (gähn…)

Einer nach dem anderen erklären sich die Kandidaten und Kandidatinnen für die Präsidentschaftswahl 2022. Und – es sind (fast) die gleichen wie immer…

Die Gewinner des Superwahljahrs 2022 in Frankreich stehen schon fest - es werden die Nichtwähler sein. Foto: Rama / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0fr

(KL) – Dass bei der wichtigen Departements- und Regionalwahl im Juni in Frankreich rund zwei Drittel der Stimmberechtigten gar nicht erst wählen gingen, scheint die Politikerkaste in Frankreich nicht sonderlich zu stören. Man hat sogar das Gefühl, als hätten die französischen Politiker derart viel mit sich selbst und den jeweils nächsten Wahlterminen zu tun, dass sie gar nicht mehr merken, dass die Bevölkerung gar nicht mehr wählen geht. Und wenn man sich anschaut, wer jetzt bereits seinen Hut für die Präsidentschaftswahlen im April 2022 in den Ring geworfen hat, dann versteht man auch das immer grösser werdende Desinteresse der Franzosen an der Politik. Um es kurz zu machen – es treten dieselben an, die immer antreten.

Die Kandidatenliste ist zwar noch lange nicht vollständig, da sowohl die Grünen, als auch die Konservativen und die Sozialisten noch Vorwahlen durchführen, um ihre jeweiligen Kandidaten zu bestimmen. Dennoch stehen schon zahlreiche Kandidaten fest und die kennen die Franzosen alle (ohne sie besonders zu schätzen…).

Allgemein geht man davon aus, dass sich Präsident Emmanuel Macron um eine zweite Amtszeit bewerben wird, weil das seinem Selbstverständnis entspricht. Bereits erklärt haben sich:

Nathalie Arthaud (Sprecherin der „Lutte Ouvrière“, einer linksextremen Kleinstpartei, die immer für ein halbes Prozent der Stimmen gut ist)
François Asselineau (Vorsitzender „Union Populaire Républicaine“, eine Minipartei im ganz rechten Spektrum, die für den Austritt Frankreichs aus der EU steht)
Xavier Bertrand (Dissident der „Les Républicains“, der nicht an deren Vorwahl teilnimmt. Hat gerade erst die Wahl zum Präsidenten der Region Hauts-de-France gewonnen, um am Wahlabend zu erklären, dass er den Job gar nicht antreten will, weil er nun Präsident werden möchte. Die Unterstützung der „Les Républicains“ wird er dabei nicht haben)
Nicolas Dupont-Aignan (Chef der rechtsextremen Partei „Debout la France“. Würde gerne mit dem „Rassemblement National“ zusammenarbeiten, bekommt aber nie genug Stimmen, um als Partner Gewicht zu haben. Dauerkandidat ohne Chancen.)
Jean Lassalle (Chef der Splitterpartei „Résistons“, von der man nie so genau sagen kann, ob sie nun rechtsextrem oder nur rechts oder sonst wo steht. Mit seinem sehr breiten südfranzösischen Akzent sind seine Reden meistens unverständlich, aber weil er immer schon kandidiert, mögen ihn die Franzosen. Zumindest 1,5 bis 2 % von ihnen.)
Marine Le Pen (Chefin des „Rassemblement National“, wie sich der rechtsextreme „Front National“ umgetauft hat, um hoffähig zu werden. Seit bald 3 Jahrzehnten tritt bei jeder Wahl ein Mitglied des rechtsextremen Le Pen-Clans an. Dieses Mal könnte es sogar klappen, wenn man die Umfragen sieht.)
Jean-Luc Mélenchon (Chef der linksextremen „La France Insoumise“. Kandidat seit Menschengedenken. Von den implodierten linken Parteien liegt er in den Umfragen am besten. Gleichzeitig ist der Mann der Grund, warum es in Frankreich zu keinem Wahlbündnis aller linken Parteien kommt, denn keine andere Formation will mit Mélenchon zusammenarbeiten.)
Jean-Frédéric Poisson (Chef der Mini-Partei VIA. Eigentlich weiß man nicht viel über den Mann und seine Partei, außer, dass er bei jeder Wahl antritt. Und dabei immer ungefähr 0,5 % der Stimmen holt.)
Fabien Roussel (Nationaler Sekretär der PCF, der Kommunistischen Partei Frankreichs. So um die 3 % der Stimmen könnte er durchaus holen. Mal ein neues Gesicht auf der Kandidatenliste…)
Anne Higaldo (Bürgermeisterin von Paris, hat sich eben mal zur Kandidatin erklärt, ohne abzuwarten, wie es mit der linken Vorwahl aussieht. Chancen aufs Amt: wohl kaum).

Dazu werden die Kandidatinnen und Kandidaten aus den erwähnten Vorwahlen kommen. Bei den Grünen liegen Yannick Jardot und Eric Piolle in aussichtsreicher Position, bei den Konservativen sind unter anderem Valérie Pécresse (ehemalige Ministerin) und Michel Barnier (ehemaliger Minister und herausragender Europapolitiker, der rechtzeitig im Wahlkampf seine tiefe Abneigung gegen die EU entdeckt hat) im Rennen. Bei der PS ist alles offen und eigentlich ist egal, wen die PS ins Rennen schickt, denn die Partei, die bis 2017 den Präsidenten Hollande stellte und die Mehrheit in Parlament und Senat hatte, ist inzwischen praktisch implodiert und wird keine Rolle spielen. Wichtig ist die PS nur noch auf regionaler und lokaler Ebene, doch schaffen es die Sozialisten nicht, die Arbeit vor Ort auf nationale Konzepte zu übertragen, was wohl auch an Parteichef Olivier Faure liegt, der die PS immer weiter in die Bedeutungslosigkeit treibt.

So wird es denn auch bei den Vorwahlen keine echten Überraschungen geben, da auch dort überwiegend diejenigen antreten, die immer antreten. Dabei ist es erstaunlich, dass sich Politikerinnen und Politiker, die seit zwei, drei oder vier Jahrzehnten an allen ihnen gestellten Aufgaben scheitern, den Mut haben, sich alle paar Jahre erneut als „Hoffnungsträger“ zu präsentieren.

Dass die französische Wählerschaft überhaupt keinen Bezug mehr zur völlig realitätsfernen Pariser Politiker-Clique hat, scheint dort tatsächlich niemanden zu stören. Neue politische Konzepte? Fehlanzeige. Frisches Personal? Fehlanzeige. Reformwille? Fehlanzeige. Dass die französische Politik abgewirtschaftet hat, werden die Parteien wohl erst dann merken, wenn in Paris die „Französische Revolution 2.0“ ausbricht. Und daran arbeiten gerade alle mit.

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