Kann die AfD Olaf Scholz zum Weitermachen zwingen?

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellt, könnte es eine Überraschung geben. Und das könnte das Chaos noch vertiefen.

Und was wäre, wenn der Bundestag mit den Stimmen der AfD Olaf Scholz das Vertrauen aussprechen würde? Foto: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Nach dem Ausscheiden der FDP aus der „Ampel-Koalition“ haben die beiden verbliebenen Regierungsparteien, die SPD und die Grünen, noch 324 Sitze im Bundestag, was weit entfernt von einer Mehrheit ist. Insofern rechnet man in den Berliner Parteizentralen damit, dass Olaf Scholz nicht das Vertrauen ausgesprochen bekommt und damit der Weg zu Neuwahlen am 23. Februar 2025 frei ist. Doch es könnte auch ganz anders kommen.

Wird sich die AfD die Gelegenheit entgehen lassen, die Bundespolitik am Nasenring durch die Manege zu führen? So kündigte der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl bereits an, dass er Scholz sein Vertrauen aussprechen will, da er den CDU-Spitzenkandidaten Friedrich Merz „unter keinen Umständen in verantwortungsvoller Position“ sehen will. Sollten sich andere AfD-Abgeordnete dieser Haltung anschliessen und Scholz ebenfalls das Vertrauen aussprechen, könnte das Endergebnis das Vertrauen für Scholz sein, der in diesem Fall den Bundespräsidenten nicht auffordern könnte, den Bundestag aufzulösen.

Für die SPD- und Grünen-Abgeordneten könnte das zu einer schwierigen Situation führen. Im Grunde ist es ausgeschlossen, dass SPD und Grüne Olaf Scholz das Vertrauen verweigern, denn das würde ein derart schlechtes Bild auf die Parteien und diese scheidende Regierung werfen, dass dies eine echte Hypothek für die irgendwann anstehenden Neuwahlen wäre. Und wie sähe es für die Bundespolitik aus, wenn die eigenen Leute dem Kanzler das Vertrauen verweigern würden, aber die Rechtsextremen für Olaf Scholz stimmen?

Für die AfD, die sich in den Parlamenten, in denen sie vertreten ist, seit Jahren vor allem als „Behinderin“ des politischen Prozesses aufführt, wäre diese Vertrauensfrage eine seltene Gelegenheit, den gesamten Politikbetrieb und seine Parteien lächerlich zu machen, was angesichts der kommenden Neuwahlen ein starkes Wahlkampf-Argument für die Rechtsextremen wäre.

Richtig vorbereiten können sich die SPD- und Grünen-Abgeordneten auf die Vertrauensfrage am 16. Dezember nicht, da bislang unklar ist, wie sich der Rest der AfD-Fraktion verhalten will. Doch die Gelegenheit wäre fast zu verlockend, der Bundesrepublik zu zeigen, in welch erbarmungswürdigem Zustand die scheidende Regierung wirklich ist.

Bereits die wichtige Haushalts-Debatte in der letzten Novemberwoche wurde abgesagt und die aktuelle Unregierbarkeit der Bundesrepublik durch die traditionellen Parteien ist ein gefundenes Fressen für die Extremisten. Zumal dieser Zustand lange andauern kann, wie man am Beispiel der drei östlichen Bundesländer Thüringen, Brandenburg und Sachsen sieht, die alle im November gewählt haben und alle bislang keine neue Regierungskoalition bilden konnten. Sollte es bei Neuwahlen ähnlich unklare Ergebnisse geben, könnte die politische Lähmung Deutschlands weiter andauern. Für die AfD, die so gerne Chaos sät, dürfte die Vertrauensfrage am 16. Dezember sehr verlockend sein, das bereits herrschende Chaos weiter zu vertiefen.

Dass die AfD nicht im Interesse Deutschlands handelt, das sieht man, seit die Rechtsextremen den Einzug in die Parlamente geschafft haben. Ob sie ausnahmsweise im Interesse des Landes den Weg zu Neuwahlen freimachen, kann daher heute niemand sagen. Nur eines ist klar, das Chaos wird noch eine ganze Weile weitergehen.

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