Kein Dessert für François De Rugy

Nach dem „Hummer-Skandal“ trat Umweltminister François de Rugy zurück. Tragisch: Er stolperte über Krustentiere, die er nicht einmal essen darf, da er gegen Hummer & Co. allergisch ist…

Wenn sich Hummer so gut verstecken, kann man schon mal über sie stolpern... Foto: Pedrosanch / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Zunächst die Fakten. Der französische Umweltminister François De Rugy hatte rauschende Privat-Diners in seinem Ministerium gefeiert, dabei Hummer und Champagner auf Staatskosten auffahren lassen und mehrere Zehntausend Euro Steuergelder bei diesen Partys verballert, bei denen hauptsächlich Freunde seiner Frau anwesend waren. Da bei diesen Partys unvorsichtige (oder hinterhältige…) Freunde des Paares Handyfotos gemacht hatten, wurden diese Partys öffentlich bekannt. Die Online-Zeitung „Mediapart“ veröffentlichte den Skandal und nach einer Woche der wohl schlechtesten Krisenkommunikation, die Frankreich je erlebt hat, trat François De Rugy am Ende zurück.

Der Minister war eine Woche lang von Fernsehstudio zu Fernsehstudio geeilt, wo er empört erklärte, dass er gar keinen Hummer verträgt (Krustentiere-Intoleranz) und dass er auch keinen Champagner trinkt (Kopfschmerzen). Dass es gar nicht um die Frage geht, ob er nun die Hummerschalen höchstpersönlich geknackt hat oder nicht, das schien dem Mann nicht so richtig begreiflich zu sein. Ansonsten räumte er bereitwillig alles ein, was man ihm vorwarf und kündigte an, er wolle den dabei entstandenen Schaden aus eigener Tasche begleichen. Aber angesichts der Hummer & Champagner-Orgien im Ministerium reichte das nicht mehr, um ihn auf seinem Posten zu halten.

Die Reaktion in Frankreich? In erster Linie ist eine Debatte ausgebrochen, ob man „Mediapart“ nicht zensieren oder am besten gleich verbieten kann. Und François De Rugy, treues Mitglied des Macron’schen Hofstaats, wird in der öffentlichen Darstellung immer mehr zum Opfer, zu Tode gehetzt von einer Meute blutrünstiger Journalisten, die den armen Mann gnadenlos zur Strecke gebracht haben. Dass das Problem eventuell in der Art und Weise liegt, wie in Paris Politik gemacht und Hof gehalten wird, darauf sind die Franzosen noch nicht gekommen.

Das, was François De Rugy in seinem Ministerium veranstaltet hat, ist gar nicht so ungewöhnlich, im Gegenteil. Solche Partys und verschwenderischen Feste gab und gibt es in allen französischen Ministerien und anderen Zentren der Macht und eigentlich geht es immer nur um die Frage, ob man erwischt wird oder nicht. Es ist wie im ausgehenden Mittelalter: Die Mächtigen feiern und prassen und werden dabei am Ende auch selbst erpressbar. Die hinterlistigen „Jagos“ von heute heißen „Dodo la Saumure“ (der Mann, der die Sexpartys für den früheren Präsidentschaftskandidaten Strauss-Kahn organisierte), Alexandre Benalla (der Leibwächter von Emmanuel Macron, der diesen so weit in der Hand zu haben scheint, dass er trotz zahlreicher Verfahren immer noch die schützende Hand des Präsidenten genießt) oder auch der namenlose Fotograf, der Frau De Rugy mit Champagnerflaschen in der Hand bei diesen Partys fotografiert hat.

Dennoch ist es seltsam, dass sich der Volkszorn nicht gegen korrupte Politiker, sondern gegen die Medien richtet, die über diese Vorfälle berichten. „Mediapart“ ist mit seinen 800.000 täglichen Lesern die mit Abstand größte, wichtigste und vor allem unabhängige Online-Zeitung Frankreichs. Der Investigativ-Journalismus dieser Zeitung hat bereits zahlreiche französische Politiker das Amt gekostet und zwar unabhängig von deren politischer Ausrichtung. Und genau das stört offenbar die Franzosen. Daher richtet sich die Kritik immer mehr gegen das Medium, das diesen Skandal öffentlich gemacht hat als gegen denjenigen, der Steuergelder bei seinen Partys verpulvert hat.

Inzwischen wird sogar eine „Untersuchung“ gefordert (worüber eigentlich? Das, was François De Rugy vorgeworfen wird, hat er längst eingeräumt), zusammen mit der Forderung, dass der Mann, sollte ihn diese „Untersuchung“ reinwaschen, wieder in sein Amt zurückkehren soll.

Frankreich befindet sich am Ende der V. Republik, die immer noch eine Art „konstitutioneller Monarchie“ ist. Die Art und Weise, wie sich die Macht im grandiosen Paris selber feiert und dabei weder Kosten noch Mühen für diese Selbstbeweihräucherung scheut, erinnert eher an die Zeiten von Ludwig XIV. als an eine moderne Demokratie. In einer Zeit, in der die Gräben zwischen „denen da oben“ und „uns hier unten“ immer grösser werden, sollte man einmal darüber nachdenken, ob der Pariser Hofstaat wirklich noch zeitgemäß ist.

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