Kein Licht, kein Schatten – Rheinoper eröffnet die neue Saison

Die Straßburger Rheinoper geht in die neue Saison mit einer neuen Intendantin: Eva Kleinitz hat ihr erstes Programm zusammengestellt. Es beginnt erst einmal wie immer mit einer zeitgenössischen Oper, die allerdings keine sein will: „Kein Licht“ von Philippe Manoury und Elfriede Jelinek bezeichnet sich als „Think-Spiel“.

Mit "Kein Licht" eröffnet die Spielzeit 17/18 der Rheinoper in Strasbourg. Foto: ONR / Caroline Seidel

(Von Michael Magercord) – Wird nun alles anders an der elsässischen Rheinoper? Oder sogar neu? Eva Kleinitz, die neue Intendantin, bestreitet, dass es das überhaupt gibt. „Was heißt neu?“ entgegnet sie in einem Gespräch, das in der aktuellen Ausgabe der Opernzeitschrift Orpheus abgedruckt ist, „Wir müssen vermitteln, dass Tanz und Oper als Kunstform mit Musik etwas ganz Besonderes ist, das immer wieder totgesagt wurde, sich aber seit Jahrhunderten behauptet und immer wieder aufs Neue überrascht“.

Totgesagte leben länger – bei der ersten Inszenierung, die unter ihrer Intendanz nun am 22. September in dem Haus am Place Broglie aufgeführt werden wird, scheint sich dieses Motto erst einmal umzukehren: Apokalypse total, Planet unbewohnbar, selbst Hunde leiden. Libretto von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, in Szene gesetzt vom Theaterregisseur Nicolas Stemann, vertont vom Straßburger Komponisten und Hochschullehrer Philippe Manoury. „Kein Licht“ heißt das Bühnenwerk, das seine Uraufführung erst im August auf der Ruhrtriennale in Duisburg fand, und wo das Unmögliche möglich wurde: die Kritiker sind weitgehend stumm geblieben. Also nicht schweigsam, aber irgendwie wirken sie in ihren Rezensionen ratlos. Wie vielleicht auch die meisten Zuschauer und selbst die unmittelbar Beteiligten: die Bühne ist ein Raum, wo zwar „kein Licht“ leuchten soll, aber auch nichts im Schatten verbleibt: alles vollzieht sich darauf gleichzeitig, Orchestermusik, Gesang, elektronische Klänge, Video, Sprechtheater. Die Schauspielerin Caroline Peters drückte es in der ARD-Kultursendung „ttt“ so aus: „Wann ist denn mal endlich Ruhe auf der Bühne und nur ich spreche – das fehlt mir ein wenig.“

Was also ist das, was da ab 22. September für vier Aufführungen in Straßburg zu sehen sein wird? Noch Oper oder schon Theater? Oder schon Oper oder noch Theater? Oder bloße Improvisationskunst, werden doch die elektronischen Klänge live erzeugt, jedes Mal aufs Neue wieder neu? Oder eine vom Komponisten im reinsten Germenglisch „Think-Spiel“ genannte Hascherei um möglichst viele Affekte? „Kein Licht“ wird im Rahmen des MUSICA-Festivals für zeitgenössische Musik auf die Opernbühne gebracht und ist es somit zumindest formal dann eben doch neu. Was wiederum nichts Neues ist, da zum Auftakt der Opernsaison schon seit vielen Jahren das Neue steht.

Dem Neuen folgt das Bekannte: Im Oktober wird Figaro doch wieder Hochzeit feiern, seinen Einstand an der Rheinoper wiederum feiert damit der Regisseur der Comedie de Reims, Ludovic Lagarde. Anfang Dezember, zur Adventszeit, wird dann – auch das ist Tradition im Elsass – eine selten gespielte Oper auf die Bühen gebracht. „Francesca di Rimini“ von Riccardo Zandoni. Es geht dabei um eine Liebe, die aus dem Inferno des Dante einstiegen ist. Uraufführung erlebte die Oper, die sich an Wagners Tritan und Isolde anlehnt, 1914 in Turin, in ihr vereinen sich die italienische Musik mit wagneranischen Ästhetik.

Das neue Opernjahr beginnt im Februar eher klassisch: „Werther“ von Massenet in einer Produktion des Opernhauses Zürich. Schon im März dann folgt ein Höhepunkt der Saison mit der französischen Erstaufführung mit einer Geschichte aus Japan, die ihr Debut einst in Berlin erlebte. „Le pavillon d’or“ von Toshiro Mayuzumi entspannt eine Geschichte um einen buddhistischen Mönch in Kyoto in der kriegerischen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Regie führt der Japaner Amon Mayamoto. Eingebettet ist die Aufführung in das Festival ARSMONDO, das sich dieses Mal Japan verschrieben hat. Nicht verpassen sollte man auch das Recital des Liederzyklus „Nipponari“ von Bohuslav Martinu – eine nur selten aufgeführte Perle des Genres aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

Im Mai wird es deutsch, denn die Nachbarn von der anderen Rheinseite sollen auch ihren Abend haben: Arnold Schönberg und vor allem Kurt Weill sorgen mit sieben Todsünden für provozierendes Gesangstheater – ob es noch in heuttiger Zeit allerdings noch so eine Kraft haben wird, dem Kleinbürger seine Sünden um die Ohren zu hauen wie 1933? Am Ende der Saison geht es noch einmal großflächig zu: Tschaikowski und Puschkin erzählen die Geschichte um das Duell zwischen Lenski und Namensgeber „Eugene Onegin“.

Ein Programm, an dem also nicht unbedingt alles neu ist, aber sicher vieles etwas anders. Eine größere Affinität zu Regisseuren, die sich die künstlerische Freiheit dazu nutzen werden, das Werk großzügig zu interpretieren, oder wie Eva Kleinitz sagt: „Wenn man Autor ist, sei es Komponist oder Schriftsteller, dann muss man wissen, dass das eigene Werk an andere weiter gegeben wird und man kein Monopol darauf hat, dass jedes Wort stets in derselben Reihen- und Tonfolge gesprochen wird – die Zeiten ändern sich“. Die Oper allerdings wird sich darüber treu bleiben: Emotionen, Spannungen, Empfindungen sind es, die vor allem auf der Bühne stehen und entstehen werden.

Saisonauftakt „Kein Licht“ von Philippe Manoury (Musik) und Elfriede Jelinek (Text)
im Rahmen des Festivals MUSICA

Strasbourg, Opera du Rhin
FR, 22.09. 20.00 Uhr
SA, 23.09. 20.00 Uhr
SO, 24.09. 15.00 Uhr
MO, 25.09. 20.00 Uhr

Infos und Tickets unter:
www.operanationaldurhin.eu

Saisonübersicht unter:
www.operanationaldurhin.eu/opera-2017-2018.html

CD-Einspielung „Nipponari“ von Bohuslav Martinu:
Supraphon, 2008 – SU 3956-2
www.supraphon.com

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