Kein Platz für sanitären Nationalismus

Wenn die Europäer nicht anfangen, die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen, werden wir uns ewig mit ihr herumschlagen müssen. Kein Land kann diese Krise alleine bewältigen.

Wir brauchen keine nationalen Alleingänge, sondern europäische und weltweite Lösungen. Foto: CareAtya / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Entwicklung der Pandemie verläuft in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. In einigen Ländern scheinen die Maßnahmen eine Verbesserung zu bringen, wie beispielsweise in Frankreich, wo die Behörden gestern zum ersten Mal seit langen Wochen weniger als 5000 Neuinfektionen registrierten. In anderen Ländern schlägt die zweite Welle gnadenlos zu, wie beispielsweise in Deutschland, wo sich die Zahlen weiterhin auf sehr hohem Niveau bewegen. Doch ist eine Pandemie kein Wettbewerb zwischen Regierungen, sondern ein Phänomen, das eben nicht an Grenzen haltmacht. Insofern sind nationale Wasserstandsmeldungen nur Momentaufnahmen. Nur – nationale Erfolge im Kampf gegen Covid-19 nützen nicht viel, so lange die Zahlen in den Nachbarländern weiter schlecht sind oder sich gar verschlechtern. Denn wenn die Pandemie auf nationaler Ebene etwas abflaut, dann tut sie das nur so lange, bis das Virus wieder zurückkommt.

Praktisch alle europäischen Länder haben ihre eigene Covid-Strategie, von der bislang niemand sagen kann, welche erfolgreicher als die anderen ist. Dies kann man den Regierungen nicht zum Vorwurf machen, denn die Covid-Pandemie ist ein bislang einzigartiges Ereignis, da zum ersten Mal eine Pandemie nicht regional oder zumindest kontinental begrenzt ist, sondern gleichzeitig die ganze Welt betrifft. Dass keine Regierung auf so ein Ereignis vorbereitet war, ist wenig überraschend und daraus kann man auch keinen Vorwurf formulieren. Doch die Wege trennen sich dort, wo es darum geht, wie die Regierungen mit dieser Krise umgehen.

Zwischen einem autoritären „Lockdown“ wie in Frankreich und dem „Laissez faire“ in Schweden liegen Welten. Auch das ist kein Vorwurf – jedes Land versucht, eine Strategie zu entwickeln, die es für erfolgversprechend hält. Nur liegt der Fehler genau an dieser Stelle. Eine Pandemie kann nicht national gelöst und gemanagt werden. Denn in der modernen, mobilen Welt, zirkulieren Viren zwischen Ländern und Kontinenten. Nationale Lösungen können daher nur so lange Teilerfolge bringen, bis das Virus (zumeist auch noch in mutierter Form) wieder zurückkommt. Und das ist keine Eventualität, sondern nur eine Frage der Zeit.

Angesichts der Entwicklung, in der Virologen bereits dritte und vierte Wellen voraussagen, ist es nicht zu spät, das Richtige zu tun. Das Richtige, das ist ein paneuropäischer Ansatz, auf den es sich zu verständigen gilt. Denn erst, wenn die Zahlen in ganz Europa ein einheitlich niedriges Niveau erreichen, bekommen wir die Pandemie langsam in den Griff. Doch so lange einzelne Länder andere Systeme und Ansätze verfolgen, nützen keine nationalen Impfstrategien, nationale „Lockdowns“, nationale Kontaktverfolgungen. Wir Europäer müssen endlich anfangen, europäisch zu denken und zu handeln.

Für dieses spezielle Thema brauchen wir nun eine europäische Disziplin, denn die Covid-Krise ist kein politisches Thema, sondern ein sanitäres Problem. Kein Politiker in Europa sollte weiterhin versuchen, diese Krise für seine persönlichen oder parteipolitischen Ambitionen zu nutzen, dafür ist das Problem zu ernst. Es gibt genug Wissenschaftler, die nicht im Sold von „Big Pharma“ oder der Börse stehen, die auf europäischer Ebene und ohne eigene Interessen an einem europäischen Lösungsansatz arbeiten können.

Es ist noch nicht zu spät für die richtigen Ansätze, aber es ist dringend erforderlich, aus den bisherigen Fehlern zu lernen und die Dinge ab sofort richtig zu machen. Das Streben nach nationalen Lösungen ist grundlegend falsch und wird sich als wirkungslos erweisen. Europa befindet sich in einer existentiellen Krise, die aber gleichzeitig eine Chance ist, endlich aus Europa eine Einheit zu formen. Niemand, kein einziges Land, wird die Covid-Krise alleine meistern können – daher wäre es sinnvoll, diese Krise nun europäisch anzugehen und zu besiegen.

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