„Keine größeren Zwischenfälle“

In der Sylvesternacht brennen im Elsass über 90 Autos, vier Polizisten werden verletzt und ein gutes Dutzend Unruhestifter werden vorübergehend festgenommen.

Mit 90 brennenden Fahrzeugen wurde das neue Jahr im Elsass begrüsst... Foto: Richard Hopkins / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Eigentlich waren in der Sylvesternacht Feuerwerk, größere Menschenansammlungen und der Ausgang für unter 16jährige von der Präfektin verboten worden. Eigentlich. Doch genau das waren die Dinge, die in der Nacht auf den 1. Januar im Elsass stattfanden. Doch die Bilanz scheint alle Beteiligten weitgehend zufrieden zu stellen. Denn vor zwei Jahren brannten in der Sylvesternacht noch über 400 Fahrzeuge…

Die Gewalt ist zum festen Bestandteil des Lebens in Frankreich (und auch anderswo) geworden. In den so genannten „Problemvierteln“ haben sich „rechtsfreie Zonen“ gebildet, in denen Anweisungen der Behörden nicht nur nicht gelten, sondern geradezu als Herausforderung aufgefasst werden. Insofern haben die Behörden durchaus Recht – es hätte schlimmer kommen können.

Doch zum Start in das neue Jahr 2022 stellt sich die Frage, ob das nun eine „relativ ruhige“ Sylvesternacht oder der Auftakt zu einem Jahr der Gewalt war. Immerhin waren massive Polizeikräfte dort zusammengezogen worden, wo man mit Ausschreitungen rechnete, doch das konnte diese Ausschreitungen nicht verhindern.

Frankreichs Gesellschaft steht vor einer Zerreißprobe – fast täglich greifen neue Covid-Maßnahmen, die von der Bevölkerung kaum noch beachtet werden. Das Superwahljahr 2022, in dem die Franzosen sowohl ihren Präsidenten, als auch das Parlament wählen, wird bereits im Vorfeld zu einem Armdrücken zwischen Regierung und all denjenigen, die sich gegen diese Regierung stellen.

Doch lohnt sich ein Blick zurück auf einen Zwischenfall vor zwei Jahren. Damals rotzte Präsident Macron angesichts der Spannungen mit den „Gelbwesten“ in die Mikrophone „wenn sie mich holen wollen, dann sollen sie kommen!“. Wenn sich die Stimmung in Frankreich weiter so entwickelt, könnte sich seine „Einladung“ bewahrheiten. Denn obwohl die Umfragen Macron immer noch bei den Präsidentschaftswahlen für den ersten Wahlgang vorne sehen, wächst die Unzufriedenheit mit einem Präsidenten, der nur noch unter seinen treusten Verehrern sichere Wähler vermuten darf.

90 brennende Autos, ein Dutzend Verhaftungen, vier verletzte Polizisten. Nein, das ist keine „normale“ Bilanz einer „normalen“ Sylvesternacht, sondern ein beunruhigendes Zeichen, dass Gewalt heute in Frankreich ein völlig banales Phänomen geworden ist. Angesichts der Auseinandersetzungen, mit denen man dieses Jahr in Frankreich rechnen muss (Covid-Maßnahmen, „Gelbwesten“, geplante Rentenreform, Impfpass und andere soziale Konflikte, plus die stark polarisierenden Wahlen), ist diese Art der „Normalität“ beunruhigend. Mitten hinein in alle guten Wünsche für das neue Jahr darf man nicht die Augen davor verschließen, dass die französische Gesellschaft heute einem Pulverfass mit brennender Lunte gleicht. Wenn dieses Pulverfass explodieren sollte, könnte eine Entwicklung in Frankreich stattfinden, von der man später in den Geschichtsbüchern lesen wird…

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