Keine kleine Aufgabe: „Nur mal schnell Europa retten“…

Was der Wille erstrebt, das erreicht er – quakte einst Donald Duck. Doch ob das stimmt, wird das europäische Spitzenpersonal in den nächsten Wochen beweisen müssen...

Europa ist schon zu oft vergewaltigt worden, als dass man das jetzt wiederholen müsste... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Die Appelle sind gemacht, der gute Wille ist demonstriert – jetzt ist es Zeit zu handeln. Europa steht, wie jeder weiß, am Scheideweg und wenn sich nicht sehr schnell etwas bewegt, wird Europa dumpfen Patrioten anheim fallen, die jetzt schon wieder die Trommel rühren und sich auf Kriege aller Art vorbereiten: Umverteilungskriege, Rohstoffkriege, Religionskriege – die Liste könnte fortgesetzt werden. Und jetzt geht es darum, dass Europa die Kurve kriegt. Was im aktuellen Format nachweislich nicht funktioniert. Wie wäre es, wenn man mal etwas kreativer ans Werk gehen würde?

Die Frage der weiteren Nutzungsmöglichkeit des baufälligen Brüsseler Parlamentsgebäudes sollte die Gelegenheit sein, sich grundsätzliche Fragen zur künftigen Funktionsweise der Europäischen Union zu stellen. Denn ganz offensichtlich ist das Brüsseler Personal kaum noch in der Lage, andere Probleme als die Rettung der Finanzmärkte durch kräftige Geldspritzen zu lösen. Dazu fällt immer mehr ein echtes Demokratie-Defizit auf – wie in den Verhandlungen um die transatlantischen Freihandelsabkommen, die außer einer Handvoll lobbyhöriger EU-Politiker schon längst niemand mehr haben will, an denen aber trotz millionenfacher Proteste munter weiter gestrickt wird.

Einigkeit herrscht inzwischen in Europa zu kaum einem Thema, weder zur Frage, wie mit dem Syrienkonflikt und Russland umzugehen ist, noch zur fundamentalen Frage des Liberalismus, der im Süden Europas heftige Konsequenzen hat, noch in der Frage der Flüchtlinge, wo eine wirklich europäische Lösung so weit entfernt zu sein scheint wie der Mond. Die Stimme der Menschen hat in dieser „repräsentativen Demokratie“ keinen Platz und in einer Phase, in der die Technologische Revolution bereits tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen ausgelöst hat, ist dieses politische System ein Anachronismus, der von älteren Damen und Herren verteidigt wird, die Schwierigkeiten haben, die Tragweite der gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen zu begreifen.

Die verkrusteten Strukturen in vielen Ländern verteidigen sich vehement gegen neue Ansätze und nehmen dafür billigend in Kauf, dass sich viele Menschen schulterzuckend von der Politik abwenden – doch das kann keine Lösung sein.

Viel Zeit für ergreifende Appelle ist nicht mehr – die Zeit des Handelns ist gekommen, so oder so. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Europas: Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, der wird vom Sturm der Geschichte davon gejagt. Und das wird auch den EU-Oberen nicht anders ergehen, sollten sie nicht in der Lage sein, die EU von innen heraus zu reformieren und in eine andere Richtung zu lenken.

Das Argument „das haben wir immer schon so gemacht“ zählt heute weniger als je zuvor. Es müssen schleunigst Wege gefunden werden, die Zivilgesellschaft in den politischen Prozess einzubinden, Entscheidungen zu demokratisieren und altes Herrschaftsverhalten für immer zu den Akten zu legen.

Die Situation in Deutschland ist dafür das beste Beispiel – die großartige „Willkommenskultur“, über die noch vor Wochen die Welt staunte, ist von Falken wie Horst Seehofer und seinen Handlangern der „Pegida“ und einem eilends durchgepeitschten neuen Asylgesetz ins Gegenteil verkehrt worden, auch wenn Angela Merkel immer noch wie eine Löwin kämpft, um menschliche Werte in Deutschland und Europa hoch zu halten. Doch während die Kanzlerin immer noch „wir schaffen das!“ murmelt, schmiedet ein Horst Seehofer mit einem Viktór Orban schon eine Art „kriminelle Vereinigung“, die darauf abzielt, Europa wieder ins ausgehende Mittelalter zurück zu führen, unter dem Beifall der Wilders, le Pens und anderer nationalistischer Populisten.

Viel Zeit bleibt den traditionellen Parteien nicht mehr, die Probleme rücken zu nahe, werden zu konkret, beunruhigen die Menschen. Wenn die Politik jetzt nicht proaktiv handelt, dann überlässt sie das Feld den Extremisten. Wohin das führt, hat Europa ausgiebig im letzten Jahrhundert erfahren müssen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, die Geschichte nicht einfach zu wiederholen.

Das Artikelbild stammt von Fernando Botero, dessen großartige Werke aktuell im Musée Würth in Ersteint zu bewundern sind.

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