(Summer special 2022) – Keine Rubel, kein Gas. Auch gut.

Die G7-Staaten sind sich einig – russisches Gas wird nicht in Rubel bezahlt. Und Moskau droht nun damit, den Gashahn zuzudrehen. Ist das eine „Selbst-Sanktion“?

Tja, der Rubel rollt eben doch nicht so, wie Putin sich das vorstellt... Foto: Central Bank of Russia / Wikimedia Commons / PD

Bereits am 30. März 2022 zeichnete sich ab, dass die Gaslieferungen aus Russland versiegen würden. Nur glauben wollte es damals noch niemand so richtig… Aber immerhin, der Westen hat inzwischen Wege gefunden, Putin in Rubel zu bezahlen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren…

(KL) – Der Plan war ja nicht schlecht. Angesichts der zusammenbrechenden russischen Wirtschaft, des rapiden Wertverfalls des Rubels und dem dringenden Finanzbedarf Russland, das auf große Teile seiner Auslandsguthaben nicht zugreifen kann, verkündete Moskau, dass Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlt werden können. Das soll die „unfreundlichen Staaten“ dazu zwingen, sich auf den Finanzmärkten mit Rubel einzudecken, was den Kurs des Rubels stabilisiert und sogar wieder befeuert hätte. Nur, dieses Vorgehen stellt einen Bruch der Lieferverträge dar und die G7-Staaten haben sch darauf verständigt, diesen „Rubelzwang“ nicht zu akzeptieren. Der Kreml droht nun damit, die Lieferungen einzustellen.

Dmitri Peskow, der immer bekannter werdende Kreml-Sprecher, kommentierte wieder einmal von oben herab: „Wir beabsichtigen auf keinen Fall, uns als Wohltäter zu zeigen und Westeuropa kostenloses Gas zu liefern“, sagte er einem amerikanischen TV-Sender, als ob irgendjemand „Wohltaten“ von einem Land erwarten würde, das gerade dabei ist, ein Nachbarland zu zerstören, zahllose Menschen zu töten und die Welt in einen Krieg zu verwickeln, dessen Folgen noch gar nicht absehbar sind. Keine Rubel – kein Gas. Die Nachricht ist angekommen und dann wird es wohl darauf hinauslaufen, dass Europa seinen Energiemarkt neu organisiert und die Russen schauen können, wohin sie ihr Gas verkaufen.

Es ist unglaublich, wie die russische Propaganda es schafft, das Land weiterhin als „Opfer“ darzustellen, das von „unfreundlichen Staaten“ drangsaliert wird. Fast könnte man vergessen, dass Russland einen brutalen und durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg in der Ukraine führt. Doch einmal mehr scheinen die Russen die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft falsch einzuschätzen, wie dies seit Beginn des Kriegs systematisch der Fall ist. Fehlen im Kreml Berater, die in der Lage sind, die politischen Entwicklungen im Westen richtig einzuschätzen?

Vielleicht zwingt dieser Krieg die Europäische Union endlich so zu handeln, wie sie es eigentlich immer schon tun sollte. Als Union, als Einheit. Europa wird nicht umhin kommen, seine Energie-Politik neu zu organisieren und solidarisch zu gestalten. Dies setzt allerdings voraus, dass die EU schnell reagiert, denn vor einem „Europa der Energie“ muss als erstes das „Politische Europa“ geschaffen werden und das setzt voraus, dass sich die EU-Institutionen als erstes und schnell von der unsäglichen Regel der Einstimmigkeit verabschieden, mit der sich die Union seit langen Jahren selbst in allen wichtigen Dossiers lähmt.

Die G7-Staaten sind gut beraten, ihre Linie weiter zu verfolgen und nicht etwa den Ukraine-Krieg weiter zu finanzieren, was der Westen faktisch seit Wochen tut. Russland möchte die Sanktionen verschärft sehen, indem es selbst den im Westen diskutierten Boykott russischer Energieträger betreibt? Der Wunsch kann erfüllt werden…

Die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft zeigen Wirkung, Russland wird nach Ende des Kriegs wirtschaftlich vor dem Nichts stehen. Internationale Handelsbeziehungen werden gekappt und der Rubel nicht mehr viel wert sein, das Land wird riesige Reparationszahlungen an die Ukraine stemmen müssen (erste Berechnungen aus der Ukraine sprechen von bisher angerichteten Schäden in Höhe von mehr als 500 Milliarden Euro) und wenn der Kreml nun den Westen zwingt, seine Energieversorgung anders zu organisieren, dann ist das ja eigentlich eine gute Sache. Auch, wenn wir dafür den Energie-Gürtel etwas enger schnallen müssen.

Russland gewöhnt sich gerade an, sich kaltlächelnd über internationale Verträge und Konventionen hinweg zu setzen. Und die Frage, warum die russische Bevölkerung tatenlos zusieht, wie ihre Führung das Land um Jahrzehnte zurückwirft und international isoliert, wird immer häufiger gestellt. Diejenigen, die sich die Hände reiben, dürften die Chinesen sein. Denn wenn Russland sein Gas nicht mehr an den Westen verkaufen können, werden die Chinesen enorme Preisnachlässe verlangen und auch erhalten.

Die Welt steht vor einer Neuordnung und die schlechtesten Karten bei dieser Neuordnung hat das Land, das dieses ganze Chaos losgetreten hat. Der Ukraine-Krieg könnte sich, selbst wenn Russland diesen Krieg militärisch „gewinnt“, das größte Eigentor der jüngeren russischen Geschichte werden.

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