Kinder als Spitzel gegen regierungskritische Eltern?

Nach lautstarken Protesten hat die französische Schulbehörde einen Erlass zurückgenommen, nach dem Lehrer*innen regierungskritische Aussagen der Schüler*innen melden sollten.

Der untere Abschnitt wurde nun zwar gelöscht, zeigt aber deutlich, wohin man gerne steuern würde... Foto: privat

(KL) – Die französische Regierung testet gerade ihr Volk aus. Wie weit kann man mit neuen, restriktiven Maßnahmen gehen, bevor sich die Menschen zur Wehr setzen? Was kann man einfach durchboxen, ohne dass die Menschen reagieren. Der letzte Versuch war, ehrlich gesagt, ziemlich widerlich. Auch, wenn nun die entscheidende Passage des Erlasses zurückgenommen wurde, bleibt dennoch der Versuch, Lehrer*innen zu Spitzeln zu machen und dabei die Schüler auszunutzen, um regierungskritische Eltern identifizieren zu können. Das erinnert an ganz böse Zeiten.

Dies war der Absatz, der dann doch heftige Reaktionen auslöste: „Kinder können Aussagen treffen, die eindeutig inakzeptabel sind. In diesem Fall ist die Autorität des Staats anzusprechen, die den Schutz jedes einzelnen Bürgers ermöglicht, ohne sich dabei auf polemische Diskussionen einzulassen. Die Eltern sind zu informieren und zum Gespräch beim Lehrer einzubestellen, der dabei von einem Kollegen assistiert werden soll. Die Situation ist der Schulleitung zu melden.“

Nun ist klar, dass speziell kleine Kinder das in der Schule wiederholen, was sie zuhause hören. Ein Kind, das in der Schule einen Satz wie „Die Regierung hat voll versagt“ zum Besten gibt, drückt damit natürlich keine eigene Meinung aus, sondern das, was es zuhause von den Eltern gehört hat. Daraus einen Fall zu machen, für den sich die Eltern vor Lehrer und Schulleitung zu rechtfertigen haben, das geht schon stark in Richtung Gesinnungspolizei. Dazu muss man natürlich damit rechnen, dass die so informierte Schulleitung entsprechende Listen anfertigt, anhand derer man ablesen kann, wer der Regierung wohlgesonnen ist und wer nicht.

Kinder zum Aushorchen ihrer Eltern zu missbrauchen, das sind Methoden, die man aus Regimes kennt, die nicht mit einem demokratischen Staatsgebilde zu tun haben. Im III. Reich gab es das verbreitete Phänomen, dass Kinder und Jugendliche, die in der HJ organisiert waren (also praktisch fast alle), dazu angehalten waren, kritische Aussagen ihrer Eltern zu denunzieren. Bei dem Erlass, der nun deutlich entschärft wurde, ging es darum, eine Situation zu schaffen, in der die Eltern zuhause ihre Diskussionen zur Politik zensieren müssen, damit weder sie selbst, noch ihre Kinder ins Fadenkreuz der Behörden kommen.

Kombiniert man nun solche Versuche mit anderen Dingen, die in den letzten Wochen und Monaten quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit durchgewunken wurden (Dekret 2020-151, das teilweise den Schutz personenbezogener Daten aufhebt; das „Anti-Schläger-Gesetz“, mit dem das Demonstrationsrecht von der Justiz auf die Verwaltung verlagert wurde), dann muss man sich die Frage stellen, worauf diese Regierung eigentlich hinaus will. Frankreich ist auf dem Weg, Freiheitsrechte massiv einzuschränken und ein Überwachungssystem einzurichten, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Solche Entwicklungen beobachten wir auch in anderen europäischen Ländern, die dafür von Westeuropa massiv (und zurecht) kritisiert werden. Es wird Zeit, auch die Entwicklung in Frankreich etwas genauer zu verfolgen.

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