Kleines Lexikon für Koalitionsverhandlungs-Deutsch

Seit Monaten quält uns die Politik mit Sondierungen, Vorverhandlungen, Verhandlungen und leerem Gewäsch. Die dabei verwendete Sprache ist leider nicht immer verständlich.

Die Sprache rund um Koalitionsverhandlungen klingt wie Deutsch, ist es aber gar nicht... Foto: GPSLeo / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Wenn sondiert, vorverhandelt, verhandelt und gedealt wird, kommt in der hohen Politik eine Sprache zum Einsatz, die wenig mit der deutschen Sprache zu tun hat, die wir täglich sprechen. Die Floskeln, so leer sie klingen, haben eine Bedeutung. Hier finden Sie einige Übersetzungen aus der deutschen in die deutsche Sprache, damit Sie den Verlauf der Koalitionsverhandlungen besser mitverfolgen können.

Die Gespräche verliefen in angenehm konstruktiver Atmosphäre“. – Die Stimmung lag kurz über dem Nullpunkt. Vor allem der Blödmann bei den anderen, dem hätte ich am liebsten eine gesemmelt. Aber es hilft ja nichts, wir müssen ja mit denen reden. Morgen geht’s weiter.

Wir haben grundsätzliche Einigung erzielt…“ – Auf diesen Punkt werden wir uns nie verständigen können. Allerdings können wir das Thema nicht einfach mit dem Mantel des Schweigens bedecken, also suchen unsere Leute nach guten Formulierungen, mit denen es so aussieht, als wäre eine Annäherung möglich, während wir versuchen, das Thema nach ganz weit hinten auf der To-Do-Liste zu schieben. Klappt eigentlich immer.

In diesem Punkt werden sich die anderen bewegen müssen…“ – Klar sind wir bereit, hier Zugeständnisse zu machen, nur: Es wird teuer. Diese Formulierung beschreibt ein Filetstück in der Verhandlungsmasse in den Verhandlungen.

Sie werden Verständnis haben, dass ich mich heute nicht zu Personalfragen äußere, uns geht es primär um Inhalte für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes…“ – Na klar bin ich scharf auf den Ministerposten! Ja, was glaubt ihr denn, warum ich den ganzen Sch…. hier mache?! Aber es wäre auch das erste Mal, dass irgendjemand das offen zugibt. Nächste Frage…

Wir konnten uns in diesem Punkt durchsetzen“ (1) – Wenn eine der beiden Parteien dies nach einer Verhandlung sagt, dann bedeutet das, „wir haben einen guten Deal gemacht“. „Wir konnten uns in diesem Punkt durchsetzen“ (2) – Wenn die andere Partei das sagt, hat sie einen besseren Deal gemacht. „Wir konnten uns in diesem Punkt durchsetzen“ (3) – Wenn beide Parteien dies nach einer Verhandlung sagen, dann bedeutet das „wir haben uns nicht einigen können, aber eine so gute Formulierung dafür gefunden, dass niemand das Gesicht verliert“…

Wir werden uns sicher nicht verbiegen…“ – Das bedeutet, „Wir sind zwar dabei, unsere heiligsten Prinzipien über Bord zu werfen, aber immerhin sichert das unsere Jobs im Parlament.“ Und es bedeutet ebenfalls, dass jeder Kompromiss zu diesem Thema denkbar, aber sehr teuer ist.

Wir werden mit den Partnern respektvoll und konstruktiv zusammenarbeiten“ – Diese Aussage bedeutet nichts anderes als „ein Horror, mit den Pennern vier Jahre zusammenarbeiten zu müssen. Aber es hilft nichts, die depperten Wähler haben es ja selbst so gewollt.“

Allerdings täuschen sich die Verhandler in diesem letzten Punkt. Hätten wir geahnt, was seit dem 24. September 2017 in der deutschen Politik los ist, dann hätten wir anders gewählt…

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