Klingenthal im Elsass: Oberrheinische Wirtschaftsvisionen

Beim „2. Deutsch-Französischen Wirtschaftstreffen“ auf Schloss Klingenthal im Elsass zeigten die Akteure aus den verschiedenen Bereichen interessante Visionen für den Oberrhein auf.

Im wunderschönen Schloss Klingenthal hatten die Experten viele gute Ideen für den Oberrhein. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Führende Vertreter der deutsch-französischen Wirtschaft, der Wirtschaftsförderung, von Handelskammern, Universitäten und Ausbildungsorganisationen sprachen am Freitag auf Einladung der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer Paris und der Basler Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung über Wettbewerbsunterschiede zwischen beiden Ländern, die sich naturgemäß in den Grenzregionen am spürbarsten gestalten. Die Experten beleuchteten mit der Erfahrung der Praxis verschiedene Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung und kamen zu interessanten Punkten. Einziger Wermutstropfen – wenn so viele fachkundige Köpfe gemeinsam diskutieren, hätte man sich auch ein noch konkreteres Ergebnis vorstellen können, eine Art Appell an die politisch Verantwortlichen, die Rahmenbedingungen für eine positive deutsch-französische Wirtschaftsentwicklung zu schaffen. Denn diese Leute wussten, wo es noch Probleme gibt.

Nach einer Einführung in die Unterschiede zwischen dem „normannischen“ und dem „rheinischen“ Modell durch Professor Nicolas Stoskopf von der UHA Mulhouse, ergänzt durch ebenso klare Kommentare des emeritierten Straßburger Wirtschaftshistorikers und Autors Michel Hau, kamen die Teilnehmer schnell in den Diskussionsmodus – das Format wurde von Luc Julien-Saint-Armand mit gutem Rhythmus moderiert, so dass eine echte Debatte in Schwung kam, unterbrochen von Kurzexposés, in denen beispielsweise Elodie Caron (Leiterin Arbeitsrecht bei den Straßburger Verkehrsbetrieben CTS) Unterschiede im deutschen und französischen Arbeitsrecht darstellte, Unternehmer wie Pierre Kopp (Mahle Behr), Michel Siebert (Kuhn, Saverne) oder René Ohlmann (Addi Data, Karlsruhe) berichteten von der Praxis, in der die Zeichen klar auf Globalisierung und Standardisierung stehen. Patrick Schalck, der bei der Industrie- und Handelskammer des Elsass die Abteilung „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ leitet, gab Einblicke in bestehende Programme, doch herrschte Einigkeit, dass deutlich mehr getan werden müsse, damit das deutsch-französische Wirtschaftsgespann sein ganzes Potential entfalten kann.

Denn das, was am Freitag in Klingenthal wie selbstverständlich funktionierte, nämlich die zweisprachige Verständigung und die Neugier auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen beim Nachbarn, ist noch lange nicht in der Bevölkerung angekommen. Auch, wenn es zahlreiche Initiativen gibt, angefangen von der Dualen Ausbildung, die von Organisationen wie den Arbeitsagenturen, Einrichtungen der Ausbildung und privaten Organisationen wie der Fondation Entente Franco-Allemande (FEFA) oder dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) oder dem Deutsch-Französischen Institut (dfi) getragen werden, muss man feststellen, dass auf beiden Seiten des Rheins noch große Informationsdefizite über die Möglichkeiten beim Nachbarn bestehen und andererseits auch in vielen Bereichen Asymmetrien bestehen, die ein engeres Zusammenrücken der Wirtschaftsakteure in beiden Ländern unnötig erschweren.

Hierzu kam ein interessanter Vorschlag von Claude Fröhlicher (IPN-Eurocentre), der anregte, dass Mittelstufenschüler bei ihrem ersten, fünftägigen Schnupper-Praktikum dieses systematisch in einem Betrieb im Nachbarland absolvieren sollten, was sicherlich praxisnäher als von Erwachsenen geschriebene Faltblätter ist.

Was also muss getan werden, damit sich die Wirtschaft am Oberrhein zum Nutzen aller entwickeln kann? Hierzu gibt es mehrere Antworten: Zum einen ist unverzichtbar, dass weiter massiv in die Sprachausbildung investiert wird. Manfred Hammes (Chef der Wirtschaftsregion Ortenau) forderte, nicht zum ersten Mal, eine Aufwertung der Sprache des Nachbarn zu einer Art „zweiter Muttersprache“, zu der dann Englisch als erste Fremdsprache kommen sollte. Dazu, auch das wurde in den Diskussionen und anschließenden Gesprächsrunden deutlich, müssen Unternehmer und Jugendliche auf beiden Seiten intensiver und besser über bestehende und neue Programme informiert werden. Auch in diesem Bereich gibt es Programme wie das, mit dem das dfi, die FEFA, die Akademie Straßburg, mehrere Schulen und Unternehmen, der Eurodistrikt und andere Partner BACPro (also Absolventen des Fachabiturs) in Praktika in deutsche Unternehmen vermitteln – um die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich und den Fachkräftemangel in Baden gemeinsam zu bekämpfen. Doch reichen diese Programme noch nicht aus, um die Situation auf beiden Seiten lösen zu können – es muss noch viel mehr getan werden.

Diese Initiative der Deutsch-Französischen Handelskammer Paris und ihrer Delegation Ostfrankreich sowie der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung verdient es, sich für das 3. Treffen ein noch ehrgeizigeres Ziel zu setzen – wenn man so viele gute Köpfe zusammen hat, dann sollte man sich durchaus trauen, in strukturierter Form einen Aufruf in die politischen Instanzen zu formulieren. Denn die Wirtschaft, die permanent den Finger am Puls der Zeit hat, ist der Politik logischerweise immer einen Schritt voraus. Daher kommt dem Input von solchen Experten eine besondere Bedeutung zu – damit diejenigen, die politische Entscheidungen treffen müssen, auch mal das Richtige tun.

OK Sel 2

 

OK Sel 3

OK Sel 4

 

ok Sel 5

OK Sel 6

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste