Klopapier. Warum eigentlich Klopapier?

Der Run auf das beliebte zwei-, drei-, vier- und fünflagige Papier geht weiter. Es soll schon zu Schlägereien um ein paar Rollen gekommen sein. Warum eigentlich Klopapier und kein anderes Produkt?

Der feuchte Traum von Hamsterkäufern - ein volles Klopapier-Regal! Foto: RG72 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es gibt wenige Produkte, deren plötzliches Fehlen ärgerlicher sein kann als – Klopapier. Jeder hat das schon einmal erlebt, dass der Griff nach dem Papier ins Leere ging und einen stattdessen eine nackte Rolle anlächelte. Im Idealfall kann man nach jemandem rufen („Ey, kannste mir mal Klopapier bringen? Schnell!“), im schlimmsten Fall kann dieser Moment ein Moment großer Einsamkeit sein. Und viele Menschen haben vor diesem Augenblick derartig viel Angst, dass sie sich die Wohnungen mit Riesenpackungen Klopapier voll gestellt haben. Da Klopapier, im Gegensatz zu Nudeln, Milch, Butter oder Konserven nicht zu den Dingen gehört, mit denen man im Katastrophenfall sein Leben sichern kann, muss es einen anderen Grund für das Hamstern von Klopapier geben.

Ein Blick auf die Geschichte des Klopapiers verrät uns Erstaunliches. Bereits in der Bronzezeit wischte man sich den Hintern ab und zwar mit Pestwurzen-Blättern. In China wurde Klopapier bereits im 6. Jahrhundert erwähnt, als der Gelehrte Yan Zhutui schrieb, dass er es nicht wagen würde, Papier aus den Werken der Fünf Klassiker für die Toilette zu verwenden. Sehr respektvoll von ihm. Sollte jemand heute auf eine solche Idee kommen, würden wir zur Gesamtausgabe des „Herrn der Ringe“ raten, da hat man eine Weile was davon.

Im frühen Mittelalter und in unseren Breitengraden griff man noch zu Lumpen und Schwämmen, es gibt sogar Berichte darüber, dass lebende Hühner zum Abwischen verwendet wurden. Lebende Hühner! Was diese wohl vom Menschen gedacht haben… aber in vielen Zivilisationen, in denen es nicht so viele Lumpen, gelehrte Bücher und Hühner gab, benutzte man – die linke Hand. Und möglichst etwas Wasser dazu. In diesen Zivilisationen benutzt man heute noch nur die rechte Hand zum Essen, da die linke eben die Toiletten-Hand ist, die man besser für sich behält. Aber dann kam es, das Klopapier!

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, einer der berühmtesten Söhne des Oberrheins, beschrieb 1669 im Simplicissismus den Lebenszyklus eines Hanfsamens. Die Pflanze wächst und gedeiht, wird zu Kleidung, Rauchwaren, Windeln, Papier zum Schreiben und zum Verpacken von Dingen verwendet, um seine Karriere dann als Klopapier zu beenden! Da war es also, das Klopapier und ab da nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken!

Bevor es aber zu hamsterbaren Klopapierrollen kam, verging noch etwas Zeit. 1857 erfand ein gewisser Joseph Gayetty richtiges Klopapier, das in einer Schachtel in Einzelblättern verkauft wurde. Allerdings waren diese einzelnen Blätter mit Aloe-Ölen getränkt und das machte die Benutzung zu einer ziemlich ekligen Angelegenheit. Doch dann, um 1879 herum, tauchte plötzlich Klopapier auf Rollen auf. Mit Perforation zum Abreißen. Und wieder sollte der Oberrhein in dieser Entwicklung eine Rolle spielen – die Eisenwerke Gaggenau im Schwarzwald boten ab 1888 perforierte Klopapierrollen mit den passenden Haltern an. Ein Durchbruch.

Die Entwicklung ließ sich nicht mehr aufhalten. Erinnerten die ersten Modell noch ein wenig an Schmirgelpapier, so wurde das Produkt immer weiter verfeinert, bis heute und der Errungenschaft des 5-lagigen und parfümierten Klopapiers, das fast unspürbar über die Oberflächen gleitet und… aber lassen wir das.

Jetzt, wo der kulturhistorische Hintergrund des Klopapiers etwas klarer ist, versteht man auch, warum wir uns ein Leben ohne nicht mehr vorstellen können. Ja, warum uns die Vorstellung, wir müssten auf dieses Papier verzichten, Schweißausbrüche verursacht. Klopapier ist eben ein Teil unseres Lebens geworden, unverzichtbar und die Vorstellung, dass uns dieses Papier fehlen könnte, macht uns Angst. So viel Angst, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger in den letzten Tagen und Wochen Vorräte angelegt haben, mit denen sie es locker bis zum III. Weltkrieg aushalten.

Mangel und Verzicht verspüren wir also am ehesten auf der Toilette. Wir können auf vieles verzichten, wir können uns einschränken, nur bei Klopapier hört der Spaß auf. Behalten wir die Nerven, vielleicht kommt ja nochmal Nachschub in die Geschäfte. Sollte es aber wirklich knapp werden, sollten Sie Zeitungen wie Die Zeit verwenden, die hochwertigen Journalismus pfundweise nach Gewicht verkaufen. Und seien wir ehrlich – die Vorstellung, sich den Hintern mit dem Konterfei von Trump, Erdogan, Putin & Co. abzuwischen, die hat doch auch etwas… Seien Sie im Supermarkt nett und überlassen Sie auch anderen ein paar Rollen. Ansonsten – gute Ausgangssperre!

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