Knackig in den Advent – Ballett zum Fest in der Rheinoper

Schon zum zweiten Mal in Folge wird in der Rheinoper ein Ballettabend zum Advent geboten. Dieses Mal wird ein Großklassiker des opulenten und gleichsam poetischen Tanztheaters in einer Neuinszenierung den Straßburger Weihnachtsmarkt begleiten.

Unterm Weihnachtsbaum darf auch mal geträumt werden. Auf dass es aber kein Albtraum wird, wenn Mäuse mit Zinnsoldaten um die Geschenke ringen. Schauen wir mal, wie traumhaft die Straßburger Rheinoper den „Nussknacker“ in Szene setzt. Foto: Illustration von Sarah Martinon, OnR

(Michael Magercord) – Lasst die Puppen tanzen, sagen sich die Mäuse. Sie stürmen die festliche Stube, wo all die schönen Leckereien aus der Weihnachtsbäckerei auf sie warten. Doch haben sie die Rechnung nicht mit den Geschenken gemacht, die noch unterm Baum liegen. Denn wahrlich sind es wehrhafte Gesellen, die den Kindern Freude machen sollen: Zinnsoldaten für die Jungs und ein zahnharter Nussknacker. Sie formen sich zur Streitkraft und ringen mit der Armee der Mäuse um die Herrschaft in der Weihnachtsstube der Familie Drosselmeyer: Auf ins feierliche Gefecht!

Wer schließlich den Sieg davon tragen wird? Egal, ist es doch alles nur ein Traum. Und zwar von der kleinen Clara, dem Patenkind des Hauses, dem der Nussknacker zugedacht war. Aus ihrem Traum in der Weihnachtsnacht wurde zunächst ein Märchen, dann eine Geschichte und schließlich ein Ballett. Das Märchen stammt von ETA Hoffmann, eine veritable Geschichte formte Alexandre Dumas daraus, und das Ballett verdanken wir Peter Tschaikowski.

Allerdings war es zunächst alles andere als ein Geschenk, was ihm sein Bruder Modest bereitet hatte. Der Theaterautor ließ die damals in Russland in den feinen Salons kursierende Geschichte im heimischen Wohnzimmer aufführen, und der Komponist war sofort vom Stoff begeistert. Doch so ganz kampflos wollte daraus dann doch nicht das schließlich meist gespielte weihnachtliche Tanztheater werden. Bruder Peter ist immer wieder ins Stocken geraten: „Ich stehe vor der gänzlichen Unmöglichkeit, die Zuckermandel-Fee in Töne zu malen“, soll er nicht nur einmal gestöhnt haben. War es der Süßlichkeit doch zu viel?

Der genervte Tschaikowski holte Hilfe bei Marius Petipa, dem versiertesten Choreografen seiner Zeit, und siehe, ihnen beiden sollte es fast gelingen. Fast nur? Ja, denn beide Protagonisten ereilten während ihrer Arbeit an dem Traum wahre Schicksalsschläge, verlor doch der eine seine Schwester, der andere seine Tochter. Der träumerischen Leichtigkeit der Musik hört man allerdings das Drama ihrer Entstehungszeit nicht an. Und vielleicht ist es ja genau die Schwere des schaffenden Gemüts, die die Musik vor der Seichtigkeit bewahrt hat.

Der Choreograf gab auf, Tschaikowski aber hielt durch und 1892 erfolgte in St. Petersburg die Uraufführung. Und wie so oft bei Meisterwerken der Ewigkeit: Begeisterung auf den Rängen, aber Grummeln in den Kritikersesseln. Ach je, so eine geistlose Story, klagten sie, mussten der Musik allerdings Exzellenz bescheinigen: Geistreiche Phantasien fürs Ohr seien ihm da gelungen.

Heute gibt es ja wieder vermehrt Stimmen, die gerade in der Traumhaftigkeit von Kunst ein Problem erkennen wollen. Sie nennen es „Flucht vor der Wirklichkeit“, welche uns die Werke bieten, die uns in den Zauber irrealer Welten führen möchten. Kunst, sagen die Spötter, muss gerade in harten Zeiten eindeutig Stellung beziehen: Die Bühne muss der Schützengraben sein, von dem aus die Kunst mit ihren Mitteln in den Kampf eingreift. Das Publikum spürt vielleicht aber, dass das wahre Leben keine bühnenreifen kohärenten Geschichten schreibt, sondern darin Angriffslust und Fluchtinstinkt immer gleichsam wirken. Warum also nicht in dieser Zeit, die in den Aufregungsmodus umgeschaltet hat, die kargen Chancen nutzen, auch mal für einen Moment seine Zeitgenossenschaft aufzukündigen und die Zeit einfach zu genießen – selbst wenn es nur eineinhalb Stunden sind.

Diese Möglichkeit verschaffen könnte uns die Tanzabteilung der elsässischen Rheinoper in ihrer Neuauflage des Meisterballetts von Tschaikowski, die in Straßburg zur Adventszeit zu sehen sein wird. Mal sehen, auf welche Weise die Tänzer und ihr junger Choreograf Rubén Julliard, der selbst aus den Reihen des Balletts der Opéra national du Rhin stammt, versuchen werden, auf den Brettern, die die Welt bedeuten wollen, in die heutige Welt einzugreifen. Ein Kampf findet auch dort statt, nämlich zwischen grauen Mäusen und strammen Zinnsoldaten, und doch wird im „Nussknacker“ der Träumerin schließlich der Weg in das Reich der Geschenke freigekämpft werden.

Denn soviel ist klar, das Libretto erlaubt keine Zweifel, sein Ausgang ist von vornherein gewiss. Und vorab heißt es, dass wir auch in dieser neuen Choreografie eine Version erleben dürfen, die uns das Träumen bewahren soll. Doch wie auch immer: Die Musik bleibt sich sowieso treu. Eingreifen in sein eigenes Werk könnte der Komponist nicht mehr, komme da noch, was da wolle…

Der Nussknacker

Märchen-Ballett in zwei Akten von Peter Tschaikowski aus dem Jahr 1892 in einer choreografischen Uraufführung von Rubén Julliard

Dirigent: Sora Elisabeth Lee
Musik: Philharmonie Straßburg OPS

Opéra Straßburg

FR 6. Dezember, 20 Uhr
SA 7. Dezember, 20 Uhr
SO 8. Dezember, 15 Uhr
DI 10. Dezember, 20 Uhr
MI 11. Dezember, 20 Uhr
DO 12. Dezember, 20 Uhr
FR 13. Dezember, 20 Uhr

La Filature – Mulhouse

FR 20. Dezember, 20 Uhr
SA 21. Dezember, 18 Uhr
SO 22. Dezember, 15 Uhr
MO 23. Dezember, 20 Uhr

Tickets und Information HIER!

Weitere Veranstaltungen in der Rheinoper Straßburg:

 Boccherini – Tschaikowski“

Konzert von 6 Streichern der Philharmonie OPS

MO 9. Dezember, 12:30 Uhr und 18 Uhr

Noel avec la Maitrise“ – L’Heure lyrique

Ein Strauß aus weihnachtlich-anmutenden Liedern

Opera Straßburg, FR 20.12. – 20 Uhr

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