Könnte man das nicht anders als « Herden-Immunität“ nennen?

Worte haben ihre Bedeutung. „Herden-Immunität“ ist ein Begriff, der dann doch zu deutlich zeigt, was die Politik und die Behörden für ein Bild von ihrer Bevölkerung haben.

Sind wir das? Wirklich? Beim Warten auf die Ansteckung oder die Impfung? Foto: Eric Soika / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit einem Jahr bestimmt ein Begriff unser Leben, der ziemlich unpassend ist – „Herden-Immunität“. Gemeint ist, dass man die Gesamtbevölkerung zu mindestens 70 % immunisiert, sei es durch direkte Ansteckungen mit dem Coronavirus, sei es durch Impfungen, sei es durch Nichtstun. Aber warum „Herden-Immunität“? Betrachten uns unsere Regierungen wirklich als dumme Schafe? Der Begriff „Herde“ wird in der Regel nur für Paarhufer verwendet…

Die ganze Welt will diese „Herden-Immunität“ erreichen. Die einen versuchten es dadurch, dass sie erstmal nichts taten, wie Schweden, Großbritannien oder die Niederlande, die anderen versuchten es durch massive Lockdowns wie Frankreich oder Irland, wieder andere versuchen es durch Impfungen. Doch auch bei den Impfungen gibt es unterschiedliche Ansätze – in Europa impft man zunächst Greise und gefährdete Personen, in Indonesien macht man es genau anders herum – dort impft man zunächst die 18- bis 59-Jährigen. Erfolg hat bisher noch keine dieser Strategien gehabt. Aber das ist heute gar nicht das Thema.

Das Thema ist, warum man uns als „Herde“ bezeichnet. Dabei wäre es einfach gewesen, einen anderen Begriff zu prägen. „Kollektiv-Immunität“ wäre eine Option gewesen. Aber so sind wir alle zu Mitgliedern einer „Herde“ reduziert worden, ein Begriff, den man ansonsten für Schafe, Ziegen oder Pferde verwendet. Doch sind wir weder Pferde, noch Ziegen, noch Schafe.

Bürgerinnen und Bürger werden immer häufiger mit der Tierwelt gleichgesetzt. Nennt man nicht auch abwertend die Wählerschaft „Stimmvieh“? Könnte man nicht ein wenig respektvoller mit einer Bevölkerung umgehen, die seit einem Jahr staunend leidet? Wir Bürgerinnen und Bürger nennen unsere Politiker ja auch nicht „Pinocchio-Bande“ oder ähnliches.

Niemand möchte ein Schaf oder eine Ziege sein. Und niemand möchte so behandelt oder so genannt werden. Da wäre es doch ganz nett, würde man wenigstens so tun, als würde man uns als etwas anderes betrachten als „Stimmvieh“ oder eine Herde dummer Schafe. Oder ist das zu viel verlangt?

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