Kollektive Hilflosigkeit

In Frankreich brodelt es und auch in Deutschland bereitet man sich darauf vor, die Gesellschaft in zwei Kategorien zu spalten. Geimpfte und Nicht-Geimpfte.

Diese Menschen stellen Fragen und sind weder "Vaterlands-Verräter" noch Terroristen. Statt die Gesellschaft zu spalten, wäre es besser, ihre Fragen ehrlich zu beantworten. Foto: C. Schlicklin / EJ / CC-BY 2.0

(KL) – Weit über 200.000 Menschen haben am Wochenende in Frankreich gegen den „Sanitären pass“ demonstriert und es wird Zeit, die Proteste etwas differenzierter zu betrachten als es die „Leitmedien“ tun, die diese Proteste als Demonstrationen von „Gelbwesten“ und „Querdenkern“ abtun. Dies ist allerdings grundlegend falsch und eine völlige Missachtung des Umstands, dass es völlig normal ist, Fragen zu einer Pandemie und zu Impfkampagnen zu stellen, deren Verlauf und Wirkung in den Sternen steht. Tatsache ist, dass kein Land der Welt das pandemische Geschehen im Griff hat und sich die Situation praktisch täglich ändert. Doch statt endlich zu verstehen, dass man eine Pandemie nur gemeinsam und international bekämpfen kann, stricken die politischen Entscheidungsträger weiter an Maßnahmen, mit denen diese Pandemie nicht überwunden werden kann.

Die Entschlossenheit, mit der Politiker verkünden, wie die Pandemie zu bekämpfen ist, wird nach anderthalb Jahren ermüdend. Während die einen die Pandemie für praktisch beendet erklären, explodieren die Zahlen anderswo. Während man in Europa sagt, dass rund 90 % der Covid-Patienten in den Intensivstationen nicht geimpft waren, heißt es in Israel, dass 66 % der Patienten in den Intensivstationen geimpft waren. Wem soll man glauben? Das Einzige, was richtig gut funktioniert, ist der Vertrieb von Vakzinen. BionTech-Pfizer schreibt gerade 500 Stellen aus und entwickelt sich wirtschaftlich hervorragend. Da passt es prima, dass zwei Dosen des Impfstoffs nicht mehr ausreichen – in Israel, dem Musterland der Impfungen, hat man begonnen, über 60jährigen die dritte Dosis zu verpassen. Dass Menschen Fragen zum Impfzwang mit Impfstoffen stellen, deren Wirksamkeit offenbar innerhalb kürzester Zeit auf Null sinkt, das ist keine „Rebellion“, sondern nachvollziehbar.

Und jetzt muss man, wenn man nach Deutschland einreist, einen aktuellen PCR- oder Antigen-Test vorlegen. Dieser darf nicht älter als 72 Stunden oder 48 Stunden sein. Aber die Inkubationszeit des Covid-19 ist länger als 72 Stunden, was bedeutet, dass es Einreisende gibt, die einen negativen Test vorweisen, dabei aber schon positiv sind. Wo ist der Sinn der Maßnahmen?

Parallel wird für Grenzgänger wieder die 24-Stunden-Regel eingeführt. Wer in Grenzgebieten für weniger als 24 Stunden einreist, ist von dieser Test-, Impfungs- oder Genesungsregel ausgenommen. Man kann also nach Deutschland zum Einkaufen oder Arbeiten einreisen. Das ist schön, aber gleichzeitig auch das Schlupfloch für das Virus. Und genau das hatten wir bereits mehrfach seit März 2020. Warum sollte das dieses Mal mehr Erfolg bringen als bei den vorherigen Malen?

In vielen europäischen Ländern werden nun die Gesellschaften gespalten. Impfzweifler, Gegner des Impfpasses und Menschen, die Fragen stellen, werden als „Staatsfeinde“ abgestempelt und erhalten keine Antworten auf ihre Fragen. Vermutlich gibt es momentan auch gar keine sicheren Antworten auf diese Fragen, doch kann man in einer solchen Situation Zwang ausüben, um weiterhin zu versuchen, eine unerreichbare „kollektive Immunität“ zu erreichen?

Wir sollten uns hüten, der politischen Strategie der Spaltung der Gesellschaft zu folgen. – Menschen, die Fragen stellen, sind in keiner Weise für die Pandemie und deren Entwicklung verantwortlich. Die Verantwortung liegt schon eher bei denjenigen, die sich seit Beginn der Pandemie darauf versteift haben, diese lokal, regional und national, aber auf keinen Fall kontinental oder gar weltweit zu bekämpfen.

Maßnahmen, bei denen man Schlupflöcher für das Virus lässt, sei es aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen, können nicht einmal theoretisch erfolgreich sein. In einer solchen Situation die Verantwortung für die Entwicklung auf diejenigen Bürgerinnen und Bürger zu schieben, die Fragen stellen, ist ein Spiel mit dem Feuer.

Diejenigen, die heute gegen die völlig hilflosen Maßnahmen demonstrieren, sollten allerdings darauf achten, mit wem sie demonstrieren. Fragen stellen und Antworten einfordern ist nicht das gleiche wie haarsträubende Komplott-Theorien zu verbreiten oder gar die Abschaffung aller sanitären Maßnahmen zu fordern. Denn das macht es den Regierungen dann doch zu einfach, die „Schuld“ für die gesamte Entwicklung von sich selbst auf diejenigen zu schieben, die Klarheit und Antworten fordern. Nicht die Spaltung der Gesellschaft ist der Königsweg, sondern die internationale Kooperation und die Harmonisierung der Maßnahmen. Also genau das, was man sich bislang konsequent weigert zu tun. Und das ist dann auch schon die nächste Frage, auf die man Antworten erwartet: Warum weigern sich die Regierungen seit anderthalb Jahren, eine weltweite Pandemie anders als national, regional und lokal bekämpfen zu wollen?

Trotz aller schönen Sonntagsreden, bei denen sich die politisch Verantwortlichen selbst einreden, auf dem besten Weg zu sein, ist das, was gerade passiert, nur eines: kollektive Hilflosigkeit.

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