Kolonialismus in der modernen Welt

Neu-Kaledonien hat abgestimmt. 56,7% der rund 270 000 Einwohner des Südsee-Archipels haben für den Beibehalt des Status als französisches Übersee-Territorium gestimmt.

Neu-Kaledonien, ein Stück Paradies und ein französisches Übersee-Territorium. Die Kolonialzeit ist immer noch nicht vorbei. Foto: Brisset Catherine / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Neu-Kaledonien ist eine Inselgruppe im Südpazifik, ungefähr 16.740 Kilometer von Frankreich entfernt und dennoch ein Teil Frankreichs und damit der EU. Seit 1853 ist das Archipel ein französisches Übersee-Territorium, das seit einigen Jahren über eine weitreichende Autonomie verfügt. Am Wochenende konnten die rund 270 000 Einwohner darüber abstimmen, ob Neu-Kaledonien unabhängig werden soll oder lieber bei Frankreich bleiben will. Das Ergebnis war zwar knapper als die Umfragen es vorhergesehen hatten, doch 56,7 % der Wählerinnen und Wähler stimmten für den Verbleib bei Frankreich. Nur ist dieser „Sieg“ für Frankreich nicht viel mehr als die Ankündigung, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Ureinwohnern, den „Kanaken“ und den Nachfahren der französischen Kolonialisten ungebremst weitergehen wird.

Wieso ist eine Inselgruppe auf der anderen Seite dieser Weltkugel ein französisches Übersee-Territorium? Die Antwort ist einfach: Zum einen waren die Briten nicht schnell genug, zum anderen verfügt Neu-Kaledonien über reiche Bodenschätze, vor allem Nickel.

Hätten die Briten etwas schneller reagiert, als 1774 der britische Forscher und Eroberer James Cook an den Inseln vorbeisegelte und diesen den Namen „New Caledonia“, also Neu-Schottland gab, dann wäre Neu-Kaledonien wohl eine britische Kolonie geworden. Doch stattdessen geriet dieses Fleckchen Erde erst einmal wieder in Vergessenheit. Das sollte sich ändern, als Frankreich unter Napoleon III. nach neuen Orten für die Errichtung von Strafkolonien suchte. In einer Zeit, als sich vor allem die Niederländer und die Briten die Kolonien im Pazifik streitig machten, wollten auch die Franzosen in dieser Region mitmischen, zumal sich damals das Gerücht verdichtete, dass die Briten das Archipel annektieren wollten. Bevor die britische Krone zur Tat schreiten konnte, erklärte der französische Konteradmiral Febvrier-Despointes Neu-Kaledonien am 24. September 1853 zur französischen Kolonie. Und seitdem gibt es dort Stress.

Frankreich richtete auf Neu-Kaledonien tatsächlich eine Strafkolonie und eine entsprechende Kolonialverwaltung ein, mit Beamten, Dienstleistern, Händlern und Abenteurern. Auf den dünn besiedelten Inseln (14 Einwohner / km2) waren die Franzosen dann bald in der Mehrheit, die kanakischen Ureinwohner zogen sich immer mehr in die dichten Urwälder der Inseln zurück, während die Franzosen Orte wie die Hauptstadt Noumea zu (fast) europäischen Städten umgestalteten.

Der Umstand, dass die Franzosen und deren Nachfahren seit dieser Zeit die Mehrheit der Bevölkerung stellen, war für den Ausgang des Referendums am Wochenende ausschlaggebend. In den Regionen, die überwiegend von Kanaken bewohnt sind, stimmten bis zu 90 % für die Unabhängigkeit; in den Regionen mit französischstämmiger Mehrheit war das Verhältnis genau andersherum.

Angesichts des überraschend knappen Ausgangs dieses Referendums mehren sich nun die Stimmen in den Reihen der Kanaken, die ein erneutes Referendum fordern. Dies wird Paris zwar zu verhindern wissen, doch ist bereits heute klar, dass dieses Ergebnis nicht etwa einen Status Quo geschaffen hat, mit dem alle gut leben können, sondern im Gegenteil, es hat den nach Unabhängigkeit strebenden Kanaken weiter Auftrieb gegeben – die Fortführung des Konflikts zwischen Frankreich und den Kanaken ist also vorprogrammiert.

Wir leben im Jahr 2018, doch das Zeitalter des Kolonialismus und der Ausbeutung der Dritten Welt ist noch lange nicht vorbei. Und, wie bereits im 19. Jahrhundert, geht es beim „modernen Kolonialismus“ vor allem und eines: Geld.

Es wäre an der Zeit, dass sich die UNO mit dem Thema „Kolonialismus“ auseinandersetzt, denn das Problem betrifft nicht nur Neu-Kaledonien, sondern auch die ehemaligen französischen Kolonien in Afrika, deren Unabhängigkeitsverträge in den frühen 60er Jahren sicherstellten, dass die nun „unabhängigen“ ehemaligen Kolonien weiterhin und vor allem wirtschaftlich unter französischem Kommando stehen. Es wäre der heutigen Welt angemessen, würden diese Themen offen auf Ebene der UNO angesprochen und geregelt. Damit das Zeitalter des Kolonialismus endlich zu einem Ende kommt.

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