Kontakte vermeiden? Läuft.

Seit gestern gilt in ganz Frankreich eine abendliche und nächtliche Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens. Damit sollen Kontakte vermieden werden. Läuft prima.

Die abendliche Ausgangssperre soll dazu dienen, Kontakte zu reduzieren. Klappt ja prima. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Weiterhin kämpfen alle Länder um die richtige Strategie, um die Ausbreitung der mittlerweile mehreren Virus-Varianten einzudämmen. Zu den aktuellen Maßnahmen gehört seit gestern die abendliche und nächtliche Ausgangssperre in ganz Frankreich. Dies führt zu einer unglaublichen Ballung von Menschenmassen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und den Lebensmittelgeschäften in stark verkürzten Zeitfenstern, nämlich morgens und abends zwischen 16h30 und 18 Uhr, wenn sich das ganze Land zum gleichen Zeitpunkt an den gleichen Orten trifft. Das Argument, das man überall hört, ist dass diese abendliche und nächtliche Ausgangssperre in Finnland funktioniert. Das ist schön für die Finnen, bedeutet aber noch nicht, dass diese Maßnahme auch in Frankreich Sinn macht.

Ebenso hört man, dass diese Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens verhindern soll, dass abends alte Menschen unterwegs sind. Aha. Aber wieso sollten abends viele alte Menschen in der winterlichen Kälte unterwegs sein, wo alle Cafés und Restaurants und Kneipen geschlossen sind, keine Kulturveranstaltungen stattfinden und es keinerlei Grund gibt, abends durch die verlassene Stadt zu ziehen? Umgekehrt sieht man allerdings, dass die Zielsetzung „Kontakte vermeiden“ völlig auf den Kopf gestellt wird. Auf unserem Artikelfoto, aufgenommen am Freitag um 17h15 in Straßburg, sieht man nicht nur dicht gedrängte Menschenmassen, sondern auch Zeitgenossen ohne Maske – wie in diesem Gedrängel vermieden werden soll, dass Menschen sich gegenseitig anstecken, das wissen wohl nur die Finnen.

Und immer noch halten alle europäischen Regierungen an dem Irrglauben fest, dass sie die Pandemie in ihrem jeweiligen Land mit Maßnahmen wie dieser Ausgangssperre bezwingen können – doch widerspricht es dem Konzept der Pandemie, dass man eine solche innerhalb von Landesgrenzen beherrschen kann. Und schon gar nicht mit Maßnahmen, die eine Ausbreitung des Virus befördern, statt sie zu behindern. Fakt ist, dass sich durch diese Ausgangssperre mehr Menschen in kürzerer Zeit auf engerem Raum begegnen als zuvor. Und das ist leider genau das Gegenteil von „Kontakte vermeiden“. Dass so etwas im nächtlichen Turku oder Rovaniemi oder Lapeenranta funktioniert, wo bei -20 Grad ohnehin niemand freiwillig vor die Tür geht, das mag sein. In den großen französischen Städten ist das eher fraglich.

Aber – durch diese immer enger werdenden Zeitfenster, in denen man den Menschen noch gestattet, sich an die verschiedenen Ausbreitungsherde des Virus zu begeben, also Arbeit, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte und Schule, konzentriert man die Ausbreitung des Virus auf „Hot Spots“, in denen es nicht mehr möglich ist, Abstände zu halten oder sich sinnvoll vor einer Ansteckung zu schützen. Insofern fällt diese Ausgangssperre wohl eher unter das Kapitel „Aktionismus“ und – es ist natürlich eine hervorragende Möglichkeit, die Bevölkerung unter Strafandrohung zu disziplinieren.

Die Gefahr bei solchen, in der Bevölkerung kaum noch nachvollziehbaren Maßnahmen, ist, dass das Vertrauen in Maßnahmen allgemein schwindet. Angesichts der Präsenz neuer und offensichtlich noch stärker ansteckender Virus-Varianten machen es diese kontaktfördernden Maßnahmen noch schwerer daran zu glauben, dass dahinter eine zielführende Strategie steht.

Doch eine solche, europaweite Strategie brauchen wir heute. In Abstimmung mit den europäischen Partnern. Mit Maßnahmen, die eine Ausbreitung des Virus nicht befördern, sondern wirklich eindämmen. Ob die Ausgangssperre zu diesen Maßnahmen gehört, ist mehr als fraglich.

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