Konzert OPS: mit Hans Pfitzner im Labor Europas

Zur UNESCO-Welterbe-Titulierung der Straßburger Neustadt wird auch dem Musikleben gedacht – und Musik gemacht: Am Donnerstag und Freitag spielt das Symphonieorchester neben Wagner, Chausson und Debussy Auszüge der Oper “Palestrina” von Hans Pfitzner.

Das Strassburger Orchester - Spitzenklasse! Foto: Institut Francais Seoul

(Von Michael Magercord) – Im Straßburger Stadtviertel Conseil de XV erinnert eine Tafel an jenem Haus, in dem Hans Pfitzner lebte, dass er darin die Oper “Palestrina” komponiert hat. Von 1906 bis 1919 war der Kapellmeister zuerst Leiter der Musikhochschule, dann musikalischer Direktor an der Oper von Straßburg. Seine wichtigste Oper handelt von dem italienischen Renaissancemusiker, der sich trotz Androhung durch die Inquisition weigerte, eine Messe zu komponieren. Erst, als er vereinsamt und unbeachtet war, schrieb er diese Messe. Der wahre Künstler, so die Botschaft, schafft seine Werke nicht als Auftrag, sondern um seiner selbst willen.

Am Donnerstag und Freitag führt das Straßburger Symphonieorchester OPS die Präludien der ersten beiden Akte der Oper auf. Das Konzert läuft im Rahmen des “Laboratoire d’Europe”. Der Zuspruch des UNESCO-Welterbestatus für die wilhelminische Neustadt wird unter diesem Motto mit Ausstellungen und Konzerten begangen. Eine Rückbesinnung in eine Zeit großer Umwälzungen in ganz Europa, in der in Straßburg zum Schaufenster des alten Preußens und des neuen Deutschen Reiches in Richtung Westen herausgeputzt wurde.

Mit den prächtigen Bauten und ihren neuen Institutionen kamen auch etliche Persönlichkeiten ins Elsass, Wissenschaftler, Professoren, Künstler. Viele öffentliche Erinnerungen an sie findet man heute allerdings nicht mehr. Keinen Hinweis gibt es etwa auf Georg Simmel, den neben Max Weber wichtigsten Mitbegründer der Soziologe, der in der Sternwartstraße, der Rue de l’Observatoire also, gewohnt hatte und immerhin auch für heutige Zeit noch maßgebliche Abhandlungen wie die “Philosopie des Geldes” hinterlassen hat.

Aber ausgerechnet für Hans Pfitzner gibt es eine Gedenktafel, wo doch in einigen Städten in Deutschland und Österreich Straßen, die seinen Namen trugen, umbenannt wurden. Denn Pfitzner war nicht nur Musiker, sondern auch Musiktheoretiker. Als Komponist gilt er als einer der letzte Vertreter der Neoromantik, als Theoretiker bezog er in den 20er Jahren vehement Stellung gegen alle modernistischen Tendenzen. Zunehmend verband er seine Beschwörungen der “Futuristengefahr” mit der Warnung vor “jüdischen Zersetzern”. Früh schloss er sich den Nazis an und wurde in die “Gottbegnadeten Liste” Hitlers aufgenommen – obwohl seine Musik von Goebbels als untauglich für seine Propagandazwecke eingestuft wurde. Im Ausland werden Pfitzners Werke heute nur sehr selten gespielt, auch wegen dieser späteren Vita des Komponisten.

In seiner Straßburger Zeit galt sein Haus noch als Treffpunkt von Musikern und Intellektuellen. Pfitzner zählte Gustav Mahler, Thomans Mann oder den jüdischen Dirigenten Bruno Walter zu seinen Freunden. Wenn nun die Straßburger Symphoniker ihn im Rahmen des “Laboratoire d’Europe” aufs Programm setzen, versetzen sie die Zuhörer gleichsam ins Labor der Moderne. Darin ist folgende die Frage zu beantworten: kann man die Persönlichkeit des Schaffenden von seinem Werk trennen?

Das ist vielleicht eine Kernfrage der modernen Kunst. Sie rührt her aus eben jener Epoche, in der Pfitzner wirkte. Es ist die Annahme, dass ein “Genie” aus seiner Zeit herausragt und Werke einzig aus seiner Persönlichkeit heraus schafft. Bevor die bürgerliche Kunst, die man ja nicht umsonst als Religionsersatz sehen darf, und worin die großen Konzertsäle die Kathedralen und die große Aufführung das Hochamt sind, Einzug in die Gesellschaft erhielt, wäre diese Frage wohl eher auf Unverständnis gestoßen. Doch nicht von ungefähr koinzidiert die Vorstellung, dass der Schöpfer wichtiger ist als sein Werk, mit dem Beginn der Psychologie.

Und nun können wir uns als Zuhörer von Musik eines Komponisten mit einer ziemlich umstrittenen Persönlichkeit und Vita mit der Frage beschäftigen, was wichtiger ist: das Werk oder der Schöpfer? Die Kunst oder der Künstler? Wir können aber auch einfach hören, wie es sich angehört hat im Labor Europas. Immer eingedenk des Umstandes, dass ein Werk nicht nur Produkt eines Einzelnen ist, sondern immer auch seiner Epoche, und jede Interpretation wiederum eines der eigenen.

Das OPS hält uns dazu noch den Exzentriker Wagner bereit, und dazu noch Ernest Chausson, der auch als französischer Wagner bezeichnet wird. Und zum Abschluss erklingt die Musik eines wahren Neuerers, Claude Debussy, der jene Musikrichtung verkörpern, die Hans Pfitzner wohl eher verabscheute. Ein Programm also, dass den Hörer selbst ins europäische Laboratorium führt – und überführen in unsere Zeit wird es das gestandene Symphonieorchester unter der Leitung des mexikanischen Dirigenten Carlos Miguel Prieto und als Gesangssolistin die opernerfahrene Mezzosopranistin Sophie Koch.

Konzert der Straßburger Symphonieorchester OPS
“Laboratoire l’Europe”

DO 18. und FR 19. Januar, jeweils 20 Uhr
im Palais de la Musique et Congres PMC

Programm:
WAGNER – Parsifal, Präludium 1. Akt
CHAUSSON – Poème de l’amour et de la mer op. 19
PFITZNER – Palestrina, Präludium 1. und 2. Akt
DEBUSSY – Le Martyre de Saint Sébastien, symphonische Fragmente

Dirigent: Carlos Miguel Prieto
Mezzosopran: Sophie Koch

Weitere Konzerte des OPS im Januar bis März:

DO 25. Januar – “Cape Nord”
Segerstam und Sibelius

DO 8. und FR 9. Februar – “Strasbourg mon amour”
Messiaen, Ravel, R. Strauss

DO 1. und FR 2. März
Mahler 7. Symphonie

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