Korruption? Na und?

Die französische Regierung verweigert dem Verein „Anticor“ erneut die Zulassung. Denn dieser Verein ist ein wenig zu aktiv im Kampf gegen die Pariser Korruption.

Die Regierung in Paris bekämpft nicht die Korruption, sondern diejenigen, die gegen Korruption kämpfen. Foto: Kiwiev / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – 2023 entzog die französische Regierung dem Verein „Anticor“ die Zulassung, was bedeutete, dass dieser Verein, der seit über 20 Jahren gegen die Korruption kämpft, nicht mehr als Nebenkläger in Korruptions-Verfahren auftreten kann, was wiederum bedeutet, dass die wenigen Verfahren, die wegen Korruption angestrengt werden, deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren. Zuletzt war „Anticor“ an 148 Verfahren aktiv beteiligt, die auch mehrere Mitglieder der „Macronie“ betrafen. Aber offensichtlich stört „Anticor“ die tägliche Korruption in den Pariser Palästen der Macht. Also sorgt man dafür, dass „Anticor“ nicht allzuviel Ärger machen kann.

Offensichtlich ist „Anticor“ einigen der Adlaten von Präsident Macron etwas zu sehr auf die Füsse getreten. Wie beispielsweise Alexis Kohler, dem Generalsekretär des Elysee-Palasts, der die Reederei MSC mit seltsamen Entscheidungen beglückte, obwohl er familiäre Bindungen zu diesem Unternehmen hat oder auch der früheren Premierministerin Elisabeth Borne oder auch dem früheren persönlichen Referenten des Präsidenten Alexandre Benalla, der dafür, dass er sein Wissen über den Präsidenten nicht auspackte, mit millionenschweren Verträgen mit russischen Oligarchen belohnt wurde. Doch wer gegen Korruption in Paris kämpft, der wird zum Ärgernis für den Staat und folglich hat sich die Regierung entschieden, „Anticor“ so gut es geht mundtot zu machen.

Aber was soll man von einem Machtapparat halten, der schützend seine Hand über die korrupten Machenschaften seiner Mitglieder hält, aber dazu auch diejenigen bekämpft, die diese Korruption aufdecken und gegen sie angehen? Ist das nicht so etwas wie das Eingeständnis der eigenen Korruption?

Dazu erinnert man sich an die juristischen Klimmzüge, mit denen etwa Justizminister Dupond-Moretti oder die EZB-Chefin Christine Lagarde mit Freisprüchen aus ihren Verfahren herauskamen („verantwortlich, aber nicht schuldig“) und man stellt fest, dass die Situation in Frankreich kaum anders ist als in Italien, wo „Il sistema“, dieses inoffizielle Netzwerk aus Politik, Justiz und organisiertem Verbrechen das Land komplett unterwandert hat. Dass man sich in Paris nun weigert, „Anticor“ erneut die Zulassung zu erteilen, spricht Bände. Ein korruptes System verteidigt sich gegen diejenigen, die gegen die Korruption kämpfen.

Wenig überraschend ist, dass solche Entscheidungen zu einem Zeitpunkt getroffen werden, zu dem Frankreich freudentrunken die sensationellen Leistungen eines Teddy Riner oder eines Leon Marchand feiert, täglich begeistert den Medaillenspiegel der Olympischen Spiele konsultiert und sich einfach nicht für die Machenschaften einer längst abgewählten, aber wundersam immer noch amtierenden Regierung interessiert.

Immerhin, eines ist jetzt klar. Paris verteidigt seine Korruption, schert sich wenig um Demokratie und interessiert sich mehr für Prunk und eitle Selbstdarstellung als für das Wohlergehen der Franzosen. Doch auch der „Maronie“ muss klar sein, dass die Olympischen Spiele nicht ewig dauern werden und dass es im Herbst für sie ganz eng werden wird. Da wird dann auch die Korruption nicht mehr viel nützen, außer dass sich einige der Akteure jetzt noch schnell die Taschen füllen können. Doch lange wird das alles nicht mehr gutgehen…

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