Korsische Geschichten
Die französische Regierung geht vor den korsischen Autonomisten in die Knie und stellt „Autonomie“ in Aussicht. Und damit öffnet das Macron-Team die Büchse der Pandora…
(KL) – Dass Wahlversprechungen nur diejenigen betreffen, die an sie glauben, ist ein alter Hut. Doch was die Macron-Administration in Korsika gerade veranstaltet, ist wieder einmal höchst verantwortungslos. Nach den Unruhen auf der „Insel der Schönheit“ in den letzten Wochen, geht die Regierung in die Knie und lässt durch Innenminister Darmanin eine „Autonomie“ für die Insel in Aussicht stellen. Ähnliches hatte Macron bereits für das Elsass angekündigt, als er vor Wochen erklärte, dass er sich eine eigenständige Region Elsass vorstellen könnte. Und nun ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Bretagne, der Südwesten, Okzitanien und andere ähnliche Forderungen an das zentralistische Paris stellen werden.
Ausgangspunkt für die Unruhen auf Korsika war ein gewalttätiger Anschlag auf den korsischen Aktivisten Yvan Colonna, der in Arles inhaftiert ist, nachdem er wegen des Mordes 1998 am Präfekten Korsikas, Claude Erignac, zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Dort wurde er Anfang März von einem fundamentalistischen Mithäftling lebensgefährlich verletzt und schwebt seitdem zwischen Leben und Tod. Colonna, der diesen Mord immer bestritten hat und dessen Anwälte nicht müde werden, auf Ungereimtheiten in seinem Prozess hinzuweisen, ist in Korsika eine Art Nationalheld und seit dem Mordanschlag auf ihn (angeblich, weil er sich gegenüber diesem Mithäftling „blasphemisch“ geäußert haben soll), kommt Korsika nicht zur Ruhe.
Da Präsident Macron kurz vor dem ersten Wahlgang keinen Bürgerkrieg auf Korsika brauchen kann, schickte er nun seinen Innenminister Darmanin auf die Insel, der dort die Autonomie in Aussicht stellte, allerdings gekoppelt an eine Bedingung: „Man kann nicht unter dem Eindruck von Gewalt verhandeln“. Was bedeutet, dass die Korsen nun schnellstens ihre gewaltsamen Proteste bis zur Wahl einstellen sollen, damit die Wahl geordnet über die Bühne gehen kann, denn danach kann man gemachte Zusagen ja auch wieder brechen. Die „Macronie“ steuert das Land gerade auf Sicht und versucht nur noch, es wenigstens bis zu den Wahlen zusammenzuhalten.
Nur – mit der Ankündigung von Darmanin hat Präsident Macron die Büchse der Pandora geöffnet. - Viele französische Regionen sind mit der Gebietsreform von 2016 unzufrieden, da die neu definierten 13 (statt vorher 22) Regionen weder historischen, noch kulturellen, noch politischen, noch wirtschaftlichen Realitäten entsprechen und die damals vollmundig angekündigten Einsparungen durch eine Straffung der Verwaltungen ausgeblieben sind. Im Gegenteil – diese Gebiets- und damit verbundene Verwaltungsreform kostet die Franzosen Milliardenbeträge, da nicht etwa die Verwaltung gestrafft wurde, sondern dem bestehenden Verwaltungs-Dschungel einfach nur eine teure, zusätzliche Ebene zugefügt wurde.
Bei Korsika wird es nicht bleiben, viele französische Regionen wünschen sich Autonomie vom Pariser Zentralstaat. Doch sollten sich auch die Korsen nicht zu früh freuen. Die Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt, was politische Ankündigungen in der „Macronie“ wert sind – nicht viel. Doch mit diesem wahltaktischen Manöver hat der Präsident das Feuer der Autonomisten in allen französischen Landesteilen wieder angefacht und die Konsequenzen davon wird man nach den Wahlen sehen – zusätzlich zu allen anderen aktuellen Problemen wie Pandemie, Krieg und Wirtschaftskrise, wird sich die nächste Präsidentschaft wieder mit den Autonomisten in ganz Frankreich auseinandersetzen müssen, denn Korsen, Elsässer, Bretonen und die vielen anderen werden nach der Wahl auf der Einlösung der Wahlversprechen bestehen. Und das klingt nach sehr viel Ärger. Ärger, der einzig dem Wahlkampf-Amoklauf des Präsidenten zu verdanken ist. An diesen Wahlkampf wird man sich in Frankreich noch lange erinnern…
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