Kreuzabnahme und ihr Richter

Eine Doppel-CD mit dem Karfreitagsoratorium des Kapellmeisters des Straßburger Münsters beschert uns zu Ostern die erste Einspielung des einzigen großen Chorwerkes dieses vielleicht bedeutendsten Musikers, der jemals im Elsass tätig war - ohne allerdings, dass er bisher dort wirklich gewürdigt wird.

Der vielleicht größte Straßburger Komponist, François-Xavier Richter, verdient mehr Anerkennung. Foto: Plattenfirma / MM

(Von Michael Magercord) – František, Franz, François – der junge Sänger František Xaver Richter stammte aus Mähren. Im Alter von 38 Jahren wurde der Musiker Franz Xaver Richter in die kurpfälzische Hofkapelle in Mannheim aufgenommen und gilt als einer der Wegbereiter der Mannheimer Schule, in die auch Mozart ging. 1769 wechselte der Kapellmeister die Rheinseite hinüber nach Straßburg und leitete als François-Xavier Richter die letzten dreißig Jahre seines Lebens die Domkapelle des Münsters.

Als F.X. Richter im September 1789 achtzigjährig starb, hatte die französische Revolution auch in Straßburg schon das Ende einer Ära eingeläutet, der er noch voll und ganz angehörte. Mit ihm und der Revolution ging das Barock unter, und damit auch eine Musiktradition, die ganz dem Kontrapunkt verbunden war, und die, modern würde man sagen: serielle Elemente mit kunstvollen Momenten verband. Richter war einer ihrer letzten großen Vertreter, bevor die ungestüme Wucht der Klassik und tiefe Wulstigkeit der Romantik das musikalische Schaffen für über ein Jahrhundert dominieren würde. Die Musik des späten Barock erfuhr ihre Renaissance erst vor einigen Jahrzehnten. Und so mag es vielleicht nicht verwundern, dass die vorliegende Doppel-CD die Ersteinspielung des großen Karfreitagsoratoriums „La deposizione dalla croce di Gesu Cristo“ des mährisch-badisch-elsässischen Komponisten ist.

Denn Richter war nicht nur Sänger, Musikus und Kapellmeister, Zeit seines Lebens hatte er komponiert. 30 Sinfonien, 6 Cembalokonzerte und viele kammermusikalische Werke sind erhalten geblieben, zudem seine „Harmonischen Belehrungen“, die er dem Kurfürsten von der Pfalz Carl Theodor widmete. Dieses große, in italienischer Sprache gesungene Oratorium zur Kreuzabnahme Christi wurde 1747 gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Mannheim in der Schlosskapelle des Kurfürsten uraufgeführt. Dass wir es nun heute wieder hören können, ist dem Tschechischen Barock-Ensemble und seinem Chor zu verdanken. Auch die Sänger stammen weitgehend aus dem Heimatland des Komponisten, in der Partie der Maria Magdalene ist etwa die junge, aber schon gestandene Opernsängerin Kateřina Kněžíková zu hören.

Das Oratorium ist bereits die zweite Aufnahme von den Werken Richters, die unter der Leitung von Roman Válek vorgenommen wurde. Vor zwei Jahren haben die Tschechen das Requiem des Domkapellmeisters eingespielt, das zu seinem eigenen Tod im Straßburger Münster 1789 uraufgeführt wurde. Das tschechische Barock-Ensemble und sein Leiter haben sich vorgenommen, das Schaffen von Richter endgültig dem Vergessen zu entreißen. Fast könnte man meinen, das Oratorium um die Auferstehungsgeschichte, die uns ja zeigen soll, dass der Mensch ein zweites mal geboren werden kann, erklinge nun für den Komponisten selbst.

Geplant ist jedenfalls für den Sommer schon eine weitere Aufnahme mit dem Te Deum von František-Franz-François X. Richter. Nun fehlt allerdings immer nur noch eines, die Rückkehr der Werke des Meisters an seine wichtigste Wirkungsstätte, an den Ort, an dem er auf dem Friedhof von Königshoffen begraben ist, nach Straßburg also – und besser noch: ins Münster.

La deposizione dalla croce di Gesu Cristo – Oratorium von F.X. Richter
Czech Ensemble Baroque Orchestra, Czech Ensemble Baroque Choir und Solostimmen
unter der Leitung von Roman Válek
Doppel-CD, 1:51 Spieldauer
Suprahon SU 4204-2

Strassbourg Requiem
Supraphon SU 4177-2

Infos unter: www.supraphon.com

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste